Donnerstag, 30. Dezember 2021

Fabrizierte Ekstasen

Denn eure Räusche sind das Fundament
des Funktionierens. Keinen Augenblick
könntet ihr nüchtern eure Gesellschaft
ertragen, nicht den Anblick der Leere
der wirklichen Wirklichkeit aushalten,
wenn ihr nicht so maßvoll zugedröhnt wärt.

Freitag, 24. Dezember 2021

Jahresbilanz

Mir ist das alles schon so egal.
Der ganze Quatsch geht mir am Arsch vorbei.
Zu gern wäre ich beunruhigt, wütend
oder meinetwegen verzweifelt,
aber wozu denn, das bringt doch nichts,
es kostete mich nur Kraft, die ich
anderswo besser gebrauchen kann.
All das Gerede und Getue
ist völlig unbedeutend, nicht wert,
sich darüber zu ärgern. Aufklärung
ist an diese Leute verschwendet
Sie sind unbelehrbar und hassen
die Wirklichkeit, die sich ihnen nicht fügt.
Ihr Machtrausch, ihre Unterwürfigkeit,
ihre absurden Schikanen
gegen mich und Leute wie mich,
sogar all der Hass und die Hetze
verbittern mich nicht. Ich lache
ihre Dummheit und Niedertracht aus.
Die Rechnung wird ihnen schon noch
in vollem Umfang präsentiert werden,
ohne Nachlass und Vergebung,
denn sie sind ohne Einsicht und Reue,
und ich und Leute wie ich werden sie
mit unserem Zeugnis belasten.
Ich kann warten. Noch aus dem Grab heraus
werde ich recht behalten. Die Wahrheit
ist auf meiner Seite und wird siegen.
Sie mögen jetzt ein paar Schlachten gewinnen,
aber den Krieg haben sie schon verloren.
Ich erwarte das Schlimmste, aber
für danach bin ich zuversichtlich.
Der Rest kann mir gestohlen bleiben.

Stein um Stein

Ich scheine zu glauben, 
sie hätten in ihren
ausgebeulten Taschen
schon die Steine gesammelt,
um mich zu steinigen. Aber
tatsächlich brauchen sie sie,
um sich einzumauern.
Erst sich und dann mich.

Vergleichsweise unschön

Es gibt bestimmt Schöneres,
als von johlender Menge
durch die Straßen geschleift,
misshandelt, zerstückelt und
in den Tiber geworfen zu werden.
Wenn das allerdings der Preis ist,
den ich zahlen muss,
um ein Mensch sein zu können,
der die Wahrheit sagen will
und die Lügen verschmäht,
dann ist das eben so. 

Donnerstag, 23. Dezember 2021

Richtwert

Ich verlöre nur ungern den Kopf,
aber das gehört wohl dazu,
wenn das Urteil Tod durch Fallbeil
lautet. Gevierteilt zu werden
gefiele mir auch nicht besser,
aber vielleicht den Zuschauern.
Der Unterhaltungswert, denke ich,
fließt ja ins Urteil mit ein.

Mittwoch, 22. Dezember 2021

Schlechter Zeitpunkt

Es kommt mir recht ungelegen,
wirklich reichlich ungelegen,
dass sie mich jetzt schon hinrichten.
Dafür wäre auch später noch
Zeit genug gewesen. Aber
selbstverständlich wollen sie mich
zum Schweigen bringen, solange ich
noch etwas zu sagen habe.

Sonntag, 31. Oktober 2021

Nur zu Erinnerung

Leute, ich hatte euch nie verschwiegen,
dass ich auch schlechte Gedichte schreibe.
Und warum denn auch nicht? Andere
machen das auch. Also beklagt euch nicht,
wenn ihr sie lest, meine schlechten Gedichte,
sondern schreibt selbst einfach bessere!

Mut-mach-Gedicht

Scheiß drauf!
Du bist ein freier Mensch.
Wer darf dir Vorschriften machen?
Wer darf dich einschüchtern?
Wer darf dich zu etwas zwingen?
Ja, sie können es, aber dürfen sie es?
Die haben doch nicht deswegen Recht,
bloß weil sie so viele sind.
bloß weil sie die Macht haben,
bloß weil sie so verdammt gut
lügen und Angst und Schrecken
verbreiten können. Nicht mit dir!
Lass dich nicht irre machen:
Du hast noch alle Tassen im Schrank.
Bleib rational, informiere dich.
Aber unterscheide die Geister.
Du musst nicht alles wissen,
du musst dich nicht in allem auskennen,
du musst nicht alle Antworten parat haben.
Nein, die müssen dir antworten,
auf deine Fragen, aber ehrlich,
die müssen ihre Widersprüche erklären.
Stattdessen setzt’s Propaganda.
Traue den Mächtigen nicht
und nicht ihren gehorsamen Dienern.
Du hast jedes Recht der Welt,
denen nicht zu folgen,
deren Interessen nicht deine sind,
Widersprich. Widersetze dich. Gib nicht auf.
Bleibe ein freier Mensch.

Verschwörungstheorie

Die Welt ist eine Verschwörung gegen mich
und jeden, der sich nicht unterwerfen will.
Wer dabei nicht mitmacht, ist in Gefahr.
Das ist kein Geheimnis, das geschieht
vor aller Augen, völlig ungeniert.
Die Lügen sind offensichtlich,
die Gewalt ist mit Händen zu greifen.
Doch alle Welt tut, als wüsste sie nichts.
Sie wollen mich kleinkriegen,
sie werden mich nicht kleinkriegen.
Ich werde vielleicht scheitern,
gegen die Übermacht der Bösen
und die Überzahl der Dummen,
denn ich bin nur einer und machtlos.
Aber noch gebe ich nicht auf.
Ich werde weiterhin dagegen sein,
unterworfen zu werden, ausgesetzt
den Lügen und der Gewalt.
Ich will mich nicht irre machen lassen,
will mich von der Angst und dem Wahn
nicht in sinnlose Wut und Verzweiflung
treiben lassen, sondern heiter bleiben.
Sie wollen mich kleinkriegen,
sie dürfen es es nicht schaffen.

Dienstag, 26. Oktober 2021

Kleine konformistische Litanei

Sei du selbst, wenn das heißt, wie alle zu sein.
Denk nicht, du seist etwas Besseres.
Denke wie alle.
Rede wie alle.
Handle wie alle.

Sei nicht demütig, beschäme nicht die Hochmütigen.
Sei nicht großzügig, beschäme nicht die Geizigen.
Sei nicht bescheiden, beschäme nicht die Gierigen.
Sei nicht freundlich, beschäme nicht die Abgelenkten.
Sei nicht sanftmütig, beschäme nicht die Kriegerischen.
Sei nicht ehrlich, beschäme nicht die Lügner.
Sei nicht klug, beschäme nicht die Dummen. 
 
Mach mit, mach’s wie wir.
Sei einer von uns. Sei wie wir.
 
Sei nicht rücksichtsvoll, beschäme nicht die Durchsetzungsstarken.
Sei nicht aufmerksam, beschäme nicht die Ahnungslosen.
Sei nicht selbstlos, beschäme nicht die Identitätswilligen.
Sei nicht heiter, beschäme nicht die Depressiven.
Sei nicht hilfreich, beschäme nicht die Egoisten.
Sei nicht humorvoll, beschäme nicht die Korrekten.
Sei nicht nachdenklich, beschäme nicht die Engstirnigen.

Mach mit, mach’s wie wir.
Sei einer von uns. Sei wie wir.
 
Unser Weg ist der bessere, unser Weg ist der einzig richtige.
Denk nicht, du seist etwas Besseres. 
Du bist wie wir.
Du sollst wie wir sein.
Du musst wie wir sein.
Du bist einer von uns.

Dienstag, 19. Oktober 2021

Ceci n’ est pas un poème

Ich vertraue nämlich den Wörtern
mehr als den Bildern, den Gedanken
mehr als dem Klang und der Wirklichkeit
mehr als dem Ich. Ich bin kein Dichter.

Freitag, 15. Oktober 2021

Taumel

Er irrte gewissermaßen,
taumelte durch sein Leben,
stolperte, fand den Weg nicht,
aber es ging voran,
es ging immer voran,
er kam immer irgendwo an,
nur wusste er nie, wo das war
und was er dort sollte,
geschweige denn, versteht sich,
wie es weitergehen würde.

Mittwoch, 13. Oktober 2021

Fortschritt

Ich werde nicht mehr alles mitbekommen.
Ich werde schlechterdings nicht mehr verstehen
können oder wollen, was euch umtreibt. 
Und das wird auf Gegenseitigkeit beruhen,
aber nur ich werde es bedauern.

Montag, 11. Oktober 2021

Zwei alte Gedanken

Nicht von dem befreien,
was gedacht werden muss,
nicht vom Müssen, nicht vom Denken
befreien, sondern befreien
von der Gedankenlosigkeit.

Den nicht mehr verstehen,
der man war, ein anderer
geworden sein. Und vielleicht
irgendwann wieder
ein anderer werden.

Mittwoch, 6. Oktober 2021

Wirkungsgeschichte

Was wäre, wenn sie mir draufkämen,
wenn sie eines Tages entdeckten,
was man alles mit mir machen kann.
Wenn sie wüssten, wie gefährlich ich bin
oder doch immerhin sein könnte,
eine heimliche Höllenmaschine,
was also wäre dann? Vielleicht aber
ist es längst schon so, sie wissen es,
sie haben mich völlig durchschaut,
nur ich habe es noch nicht bemerkt.
Doch es spielt keine Rolle für sie.
Selbst wenn sie wissen, was ich denke,
denken sie nicht daran, mein Denken
ernst zu nehmen und entsprechend
zu handeln. Ich kann sagen, was ich will,
es hat für sie keinerlei Bedeutung.
Sie sind mir längst draufgekommen,
und das hat nichts zu besagen.

Montag, 4. Oktober 2021

Biwak

Auf verlorenem Posten
beziehe ich Winterquartier,
zehre von meinem Vorrat
und halte Kriegsrat
nur mit mir selbst.

Donnerstag, 30. September 2021

Pathos

Mir blieb nur
der Verlust.
Der aber
für immer.

Liebesgeschichte

Du mich nicht.
Ich dich schon.
(Sehr sogar.)
Das war's dann.

Logische Probleme

Abends stehen die Ringlotten am Himmel,
morgens leuchten dort die Reineclauden.
Es ist verboten, sich selbst zu enthalten.
Wir schwimmen immer wieder im selben Fluss.
Die Grenzen meiner Sprache sind nicht mein Fall.
Die Welt ist alles, wovon man schweigen muss.

Mittwoch, 29. September 2021

Seite 114

Es gibt mich wirklich.
Manchmal vergesse ich das.
Dann wieder stößt man mich darauf.
Und ich bin gar nicht so
unangenehm überrascht.

Freitag, 24. September 2021

Ego

Alle außer mir sind nicht ich.
Was wissen denn die schon! Selbst ich
kenne mich kaum und bin befremdet,
wenn ich im Spiegel sehe.
Irgendwann könnte ich sogar
meinen Namen vergessen. Wozu
also all das Getue um mich,
der ich doch beinahe nichts bin.
Das wissen die anderen auch nicht.

Hymnus

Ich bin ein Bürger eines andern Reichs
und keinem eurer Herren untertan.
Mein König trägt eine Dornenkrone.
Nur ihm gehorche ich. Und ihm allein
schwöre ich meine Treue auf ewig.
Abgeschworen habe ich hingegen
den Herrschern dieser Welt. Sie haben nichts
von mir zu erwarten als Verachtung
und Hass und jede erdenkliche Form
von Widersetzlichkeit. Meinetwegen
um den Preis von Einsamkeit und Unglück.
Ich habe für Gott Partei ergriffen,
wie kann mich da noch etwas einschüchtern?
Ich fürchte nicht die Häme, nicht das Leid,
das man mir antun kann. Mich erwartet
der Tod, das weiß ich. Die Wahrheit aber
ist größer, sie wird mein Leben retten.
Lieber auf Erden kämpfen und scheitern,
als meinen König zu verraten, ihn,
der mich freigekauft hat mit seinem Blut.
Der wiederkommen wird in Herrlichkeit:
Dann will ich zu seinen schwarzen Schafen
gehören, nicht zu den Bocksbeinigen.
Ich sage das nur, damit ihr mich nicht
verwechselt mit einem von euch, einem,
der nicht Paradiesbürger ist. Amen.

Montag, 20. September 2021

Warum Gedichte?

Ich interessiere mich gar nicht
so sehr für mich, wie es vielleicht scheint.
Aber ab und zu muss ich mich doch
vergewissern, dass es mich noch gibt
und ich nicht nichts bin. Dann haue ich
mir ein paar Wörter um die Ohren,
bis mir Hören (und Sehen) entsteht.
Ich schmiede Verse, also bin ich. 

Freitag, 17. September 2021

Widerstand

Dieses Gefühl, die ganze Welt
gegen mich zu haben, trügt nicht.
Die Welt ist alles, was gegen mich ist,
und ich bin der, gegen den die Welt ist.
So hat alles seine Ordnung,
und ich muss nicht zusammenbrechen.
Damit lässt sich arbeiten.

Donnerstag, 16. September 2021

Was ich vom Leben verlange

Ich verlange vom Leben,
dass es mir zu willen ist.
Aber das Luder wehrt sich.
Noch denke ich nicht daran,
mich von ihm zu trennen.
Wir wollen doch mal sehn,
wer am Ende der Stärkere ist.

Dienstag, 14. September 2021

Episode

Gott geht vorüber.
Ich nicke ihm aufmunternd zu.
Er lächelt zurück.
Das rettet uns beiden den Tag.

Freitag, 10. September 2021

Samstag, 4. September 2021

Freitag, 3. September 2021

Noch ein Vorschlag

Verzichtet auf mich,
wenn ihr meint, dass ihr's könnt.
Aber vergesst mich dann auch
ganz und gar. Keine Spur
soll von euch mehr hinführn
zu mir, wenn, was uns verband,
nicht mehr war als nur
eine Spur.

Heimatkitsch

Mir genügst als Land du.
Dort will ich wohnen. Ich lese
dein Gesicht als Karte
und vergleiche die Wirklichkeit
deines Körpers damit.
Ich finde Berg und Tal
und Wald und Feld und Fluss
und auch den Pfad zum Glück.

Montag, 30. August 2021

Sonntag, 29. August 2021

Überwältigung

Wenn es Schönheit gibt,
dann hat plötzlich alles Sinn,
dann ist alles nicht alles
und alles erträglich. Dann
verweist alles auf Gott.

Roter Faden

Hat euer Leben einen roten Faden?
Meines nämlich nicht. Alles geht so dahin,
mit unklarem Anfang und unklarem
Ende. Was soll ich davon nur halten?

Ein Fisch im Wasser?

Ich weiß nicht, wie man das macht.
Wie gehört man dazu?
Wie verhält man sich so
wie alle anderen auch?
Wie sagt man das Richtige,
das, was alle denken?
Wie bewegt man sich
wie ein Fisch im Wasser?

Ich weiß es nicht, wusste es nie,
fiel immer unangenehm auf,
sagte nichts oder zu viel
und dachte mir meinen Teil.
Nie gehörte ich dazu,
war Außenseiter, Abweichler,
Eigenbrötler, Spielverderber,
Kein Fisch im Wasser.

Montag, 23. August 2021

Wichtiger Hinweis

So machen wir das hier nicht.
Das machen wir hier so und so.
Denn so ist es üblich.
Was davon abweicht, fällt auf.
Das Fremde verstört uns.
Es weckt unser Misstraun,
unsern Spott, unsern Hass.
Pass also lieber besser auf.
Fall es ein nächstes Mal gibt.

Fahrzeug

Mein kleiner Eselskarren fährt
denen nicht in die Parade,
die übern Platz rollen. Aber
ruckelnd und zuckelnd schafft er mich
hinter feindliche Linien.

Sonntag, 22. August 2021

Ziegenlieder

Die Ziegen singen Lieder,
die kein Mensch versteht. Sie selbst
können sie auch nicht verstehn,
aber das merken sie nicht.

Schwierige Überlegung

Ich habe keineswegs die Absicht,
das alles hier zu überleben.
Meinetwegen muss ich zwar nicht gleich
der erste Beste sein, der draufgeht.
Aber der Letzte, der das Licht löscht,
will ich auch nicht sein. Es bleibt schwierig.

Samstag, 21. August 2021

Plan B

Manchen ist ihr Leben gelungen,
sie haben ihre Zeit nicht vergeudet,
sondern etwas erreicht. Sie haben
etwas geleistet, etwas geschaffen,
ihr irdisches Dasein wirklich genutzt.
Allen möglichen Widrigkeiten zum Trotz
und zuweilen mit etwas Glück
haben sie sich durchgesetzt in der Welt.
Das Diesseits hat ihnen alles geboten.
Sie sind bedeutenden Menschen begegnet,
haben Dinge, Orte, Ereignisse
erlebt, genossen, überstanden.
Das Diesseits hat ihnen alles geboten.
Sie haben etwas aus sich gemacht.
Ihre Namen sollte man kennen,
schon zu Lebzeiten sind sie berühmt.
Ich hingegen setze ganz aufs Danach

Kein Verlust

Dann verzichtet eben auf mich,
euch wird schon nichts fehlen,
kaum bemerken werdet ihr,
dass ich nicht mehr bei euch bin.
Schon bisher habt ihr euch aus mir
nicht allzu viel gemacht.
Oder wollt ihr behaupten,
ihr wärt mir bisher auch nur
halbwegs gerecht geworden?
Ich sehe das jedenfalls anders.
Und siehe da, im Grunde
werft ihr mir das eben vor,
dass ich alles so anders
sehe als ihr. Gar behaupte,
dass ich (darf das wahr sein!),
was ihr seht, durchschaue.
Auf mich zu verzichten, wird leicht.
Ein Störenfried weniger.

Freitag, 20. August 2021

Versprengt, verfranzt.
Wenn man nur wüsste,
worauf das alles hinausläuft.
Hier ist kein Durchkommen,
dort kann man nicht bleiben.
Wie soll das weitergehen?

Montag, 9. August 2021

Wie wir miteinander reden

Sie reden an mir vorbei,
ich rede an ihnen vorbei,
und hin und her und her und hin
weben wir das Leichentuch
der Verständigung.

Samstag, 7. August 2021

Ausquartiert aus der Wirklichkeit,
aus dem Kontext gerissen,
will keiner mehr etwas wissen
von mir. Man ignoriert mich.
Also bin nicht ich ignorant,
sondern die, die mich absondern
vom gerade noch Erlaubten,
vom Diskurs, von der Wahrheit.

Sonntag, 18. Juli 2021

Vorsicht, Ironie

Das merkst du doch hoffentlich selbst,
dass das so nicht geht. Du kannst nicht
im Ernst geglaubt haben,
dass du damit durchkommen wirst.

So einfach ist das Leben nicht.
Es gibt Regeln, die man nicht
so einfach ignorieren kann,
objektive Realität,
die man ins Kalkül ziehen muss.

Du spielst nur mit den Wörtern.
Dir werden die Dinge
auf den Kopf fallen.

Tel premier vers*

Wenn es die Sprache durchzuckt
oder mich oder beide,
wenn der Eindruck sich einstellt,
die Empfindung, da ist was,
das vielleicht, nur vielleicht,
etwas sein kann, ein Glücksfall:
der erste Vers eines Gedichts.
 
 
* Les dieux, gracieusement, nous donnent pour rien tel premier vers; mais c'est à nous de façonner le second, qui doit consonner avec l'autre, et ne pas être indigne de son aîné surnaturel. (Paul Valéry)

Ein Leben

Ich hatte immer erwartet,
da käme noch was,
aber es kam nichts,
das Leben ging weiter
und weiter, aber nie,
nie passierte etwas
wirklich Besonderes.
Ich wartete und wartete,
aber es kam nichts,
nichts Besonderes, nichts
Außergewöhnliches, nichts,
das man nicht doch erwartet hätte.
Das Leben bot nichts
als sich selbst. Heute
begreife ich langsam,
dass das Warten mein Leben ist
und die Ereignislosigkeit
schon das ganze Ereignis.

Donnerstag, 8. Juli 2021

Endlich bin ich mich losgeworden.
Es war nicht mehr auszuhalten mit mir.
Darum habe ich mit mir gebrochen.
Was zu viel ist, ist zu viel.
Ich habe mich vor die Tür gesetzt
und mir verboten wiederzukommen.
Ich habe mich in hohem Bogen
rausgeworfen und mir nachgerufen,
ich solle bloß nicht wagen,
mich je wieder bei mir blicken zu lassen.
Was zu viel ist, ist zu viel.
Es war ja schon seit langem abzusehn,
dass es so nicht weitergehn konnte.
Ich hatte mich mit mir auseinander-
gelebt, die Trennung war vorhersehbar.
Mein Verhältnis zu mir war völlig zerrüttet,
da war nichts mehr zu machen. Der Bruch
war nur noch eine Frage der Zeit.
Was zu viel ist ist zu viel.
Schließlich musste es sein, ich musste weg.
Jetzt bin ich mich losgeworden.
Ich will mich nie mehr wiedersehn.
Ohne mich geht es mir besser.
Jetzt kann ich mich um mich selber kümmern.
Es musste sein. Ich wollte es ja nicht anders.
Ich habe etwas besseres verdient.
Es ist gekommen, wie es kommen musste.
Ich bin mich los. Endlich.

Sonntag, 20. Juni 2021

Due Sicilie

Die Wölfe reinigen den Wald
von den Köhlern. Das war längst fällig.
Zu lange schon wurden die Räuber
hier ihres Lebens nicht mehr froh.
Es lebe König Ferdinand!

Schaun wir mal,
wo der Hammer hängt.
Oder wo Gott wohnt.
Schaun wir mal,
was das Leben so bringt.
Da war doch schon
so viel Schönes dabei.

Freitag, 18. Juni 2021

Zwischenbericht

Meine Einsamkeit ist nicht mein Problem,
sondern das der anderen. Sie sind es,
die abgerückt sind vom Gemeinsamen.
Was sie verstanden zu haben schienen,
davon wollen sie jetzt nichts mehr wissen.
In Zeiten wie diesen gilt das nicht mehr.
Rasch haben sie gelernt, umzudenken,
sich anzupassen und mitzumachen.
Sie haben sich verrannt ohne Ausweg,
sich eingemauert in kaltem Schweigen.
Meine Haltung aber ist dieselbe
geblieben. Wovon ich überzeugt bin,
wenn ich es denn aus guten Gründen bin,
dem bleibe ich aus guten Gründen treu.
Ich wende an, was ich gelernt habe,
und lerne jeden Tag etwas dazu.
Ich überschätze mich nicht, meine nicht,
ich könne nicht irren, im Gegenteil.
Aber was gestern wahr war, glaube ich,
kann heute nicht unwahr sein, und wenn doch,
schien es nur wahr und war in Wahrheit falsch.
Für mich zählen Argumente, und nicht
Bilder, Gefühle, Zahlen und all das,
was manipuliert werden kann und wird.
Gestern wusste ich, dass die Herrschenden
dumm und böse sind und immer lügen.
Das weiß ich auch heute noch und habe
Beweise. Das ist keine Verschwörung,
das ist ganz einfach die Normalität,
die die anderen zulassen. Ich nicht.
Ich mach da nicht mit. Ich sage nicht „schwarz“
zu Weiß, nicht „weiß“ zu Schwarz und rede mich
nicht auf Grau heraus, wenn es darauf ankommt,
Farbe zu bekennen. Sie werden mich
nicht dazu bringen, Kröten zu schlucken.
Gut möglich, dass das alles sinnlos ist.
Denn voraussichtlich werde ich scheitern.
Anscheinend überzeuge ich keinen
und halte das Unheil nicht auf. Aber
keiner soll mir je nachsagen können,
es nicht versucht zu haben. Ganz allein.
Meine Einsamkeit ist nicht das Problem.

Dienstag, 8. Juni 2021

Abenteuer

Das sind gar keine Windmühlen,
rufe ich noch, das sind bloß Riesen!
Doch zu spät, die andern haben
längst schon zum Rückzug geblasen,
um den Windmühlenbetreibern
keine Angriffsfläche zu bieten.
Solche Klagen, sagen sie,
können wir uns nicht leisten.
Ich erschlage den ersten Riesen.

Dienstag, 1. Juni 2021

Plötzliche Einsicht

Dass ich schreibe, genügt nicht,
um die Welt aus den Angeln zu heben,
Um die Welt aus den Angeln zu heben, 
müsste ich gelesen werden.

Voraussicht

Ich werde es gesagt gehabt haben.
Ich werde Recht behalten haben.
Es wird mir nichts genützt gehabt haben.

Mittwoch, 12. Mai 2021

Nachträglicher Berufswunsch

In einer Schrift, soll es heißen,
die keiner lesen konnte,
schrieb er Wörter, soll es heißen,
die keiner verstehen will,
eine Botschaft, soll es heißen,
die keinen erreichen wird.
Damit brachte er sein Leben zu,
soll es heißen, und es war gut so.

Quasi ein Psalm

Ich wünsche mir, sagte er,
die völlige Vernichtung meiner Feinde, 
aber nicht um meinetwillen, 
sondern um ihrer selbst willen, 
denn ihr Sieg wäre verheerend für sie, 
sie glaubten dann, sie wären im Recht, 
aber das sind sie nicht.

Freitag, 23. April 2021

Selbstbeschreibung

Man nimmt also Anstoß an mir, sagte
der Elephant im Porzellanladen,
warf dann noch ein paar Tische um
und hinterließ einen Scherbenhaufen
bei seiner Suche nach einem Ausgang.

Sonntag, 4. April 2021

Angst und Bange

Was wird von mir geblieben sein?
Werden meine Gedanken
noch irgendjemanden stören
oder ihm sonstwie von Nutzen sein?
Was ich geschrieben haben werde,
werden Motte und Wurm es fressen
oder schlicht das Vergessen?
Wird denn dann, wenn ich nichts mehr tun kann,
um Aufmerksamkeit zu erregen,
noch irgendjemandes Aufmerksamkeit
erregt werden durch meine Worte?
Werden meine Worte, und welche,
noch etwas bedeuten? Und was?
Wer wird mich noch verstehen
können, wer wird es wollen?
Wen wird es noch geben,
wer wird noch kommen, damit,
was ich hätte gesagt haben wollen,
Sinn gehabt haben wird?

Sonntag, 7. Februar 2021

Ein gütiges Schicksal

Eines Tages werde ich
vergessen worden sein.
Selbst ich kann mich jetzt schon
kaum noch an mich erinnern.

Noch ein Kinderlied

Manchmal bin ich winzig klein,
falle dann durch jeden Rost,
rutsche auch in jede Ritze
und verschwind in jedem Löchlein.
Manchmal bin ich riesengroß,
dass ich mich nicht rühren darf,
weil ich sonst die Welt zerquetsche.
Alles hängt nur davon ab,
was du g’rade zu mir sagst.

Ein heißer Tag im April

Es riecht schon verzweifelt nach Sommer.  Die Vögel kreischen ums Überleben. Brünstig streben die Blumen zur Sonne. Alles blüht, als gäb'...