Alltag

Ich pfeife dem Wasserkessel,
und er beeilt sich, zum Sieden zu bringen,
was in ihm steckt. Ich rufe den Tee,
und er überbrüht sich und zieht.
Ich kann warten. So also
bestimme ich über die Dinge.

Richtiggestellt

Ich bin das Opfer,
also bist du der Täter,

also bin ich im Recht

und du hast Unrecht,

also musst du bestraft werden,

aber davon hab ich nichts,

also muss ich mein Leben ändern

und dich in Ruhe lassen.

Richtig träumen

Sie schlafen durchaus,

aber sie träumen wohl falsch,

denn ihr Unbewusstes treibt

sie nicht zur Revolution.

 

Wer die Träume fabriziert

und die Räusche, der verfügt

über den Normalzustand.

 

Schlaft. Träumt. Stürzt das System.

In wacher Wirklichkeit.

Apokalyptisches Manifest

Kommt und zerstört die Welt,
die ihr nicht geschaffen habt.

Eure Gier geht ins Leere.

Was ihr habt, ist ein Nichts.

Darum bitte ich euch:

Hört nicht auf, einander

auszubeuten, zerstört 

eure Umwelt und lasst euch

immer weiter verblöden.

Nur so wird das Böse

schließlich zu Ende gehn

und das Gute bleibt übrig

für alle Zeit. Amen.

Narrenfest

Lasst uns miteinander feiern,

dass keiner von uns so wichtig ist.

wie er sich nimmt, sondern wichtiger,

lasst uns feiern, dass wir Narren sind,

allesamt, ein jeder von uns

auf seine Weise, denn nur so, 

auf diese Weise, werden wir weiser.

Strategie

Füge deinen Feinden

schwere Wunder zu,

bis nicht mehr wissen,

was sie glauben sollen.

Wider die Schwerkraft

An Tagen, ach, wer kennt sie nicht,
an denen dich die Schwerkraft hasst
und alles fällt, was irgend fallen kann,
musst du vernünftig bleiben und gelassen ―
und deinerseits die Schwerkraft hassen.

Advent

Was ich will, sind grobe Engel,

billig gemacht, nahezu wertlos,

also erschwinglich, sodass sogar

Kinder sie kaufen könnten,

um sie nach Hause zu tragen

in ihre armseligen Leben

als eine rohe Hoffnung

auf ein erlösendes Wort.

Kurzformel

Dem Mann ein Mann,

nicht obwohl,

sondern weil,

ist Liebe.

Geschick

Von Adlern und Rosen und so
hatte er dichten wollen, doch

heraus kamen bloß Krähen

und ein paar Mauerblümchen.

Unheil

Ginge es nur um mich, nun ja,

dann wäre das schlimm genug. 

So aber geht es um alle

und alles. Und wie soll das

je wieder gut gemacht werden?

Verrückt, oder?

Ich muss verrückt sein,
wenn die andern normal sind.

Anders geht es nicht.

Euer Wahnsinn bringt mich um

den Verstand. Ganz schön irre!

Und doch beweist das 

nichts als die Wahrheit.

Après nous

Dafür kann doch ich nichts.

Hättet ihr halt besser aufgepasst.

Es ist schließlich eure Welt,

nicht meine. Jetzt ist es zu spät.

Missverständnis.

Meine Freunde, so scheint es,

sind mit dem Falschen befreundet.

Für wen haben sich mich denn

die ganze Zeit gehalten,

wenn nicht für den, der das schreibt,

was ich geschrieben habe?

Herbst (II)

Siehe, man hört nichts

als das Fallen der Blätter.

Lautlos geht die Welt zu Boden.

Sommeridyll

Ein Schmetterling schrammt

Schlag auf Schlag lautlos

über die blühende Wiese.

Ungemach

Meine Verse zerbröseln.

Mein Gedicht verkrümelt sich.

Und ich bleib auf Witzen sitzen.

die gar nicht lustig sind.

Zur Sicherheit

Mein armes, kleines Wort
geht besser in Deckung
vor so viel Verschweigen
durch so viel Gerede.

Banale Erkenntnis

Ich wollte sie nie wahrhaben,
die Niedertracht und die Dummheit,

aber es hilft nichts, sie sind wahr.

Und ich lebe mitten darin.

Meine Türen

Ich wollte eintreten,
aber die Tür war versperrt.
Auch eine zweite.
Und eine dritte.
Da ließ ich es sein
und blieb, wo ich war,
für den Rest meines Lebens.
Als ob es nicht noch
all die weiteren Türen
für mich gegeben hätte.

Scherzo comprensivo

Dann irgendwann,
wird es geschehen
und man wird sehen,
wie toll ich doch bin.
(Dachte ich. Jetzt weiß ich:)
Wie toll ich auch bin,
keiner schaut hin.

Lebensweg

Hinter mir liegt so viel
verlorene Liebesmüh,
aufragend wie eine Halde
aus lauter nutzlosem Zeug,
fast bis zu Himmel reichend,
ihn verdunkelnd. Was ist
dagegen das schwächliche Licht,
das bisschen Hoffnung,
das noch vor mir liegt?

Aber manchmal denke ich,
wenn es anders gekommen wäre,
wäre es auch nicht anders gekommen,
denn es kommt, wie es kommt,
und so ist es dann eben.
Das ist schrecklich und ganz normal.
Hätte ich es mir ausgesucht,
wie ich es nun einmal war,
wenn ich anders gekonnt hätte?
Der Möglichkeiten sind viele.
Aber ich bin, wie ich bin,
weil ich war, wie ich war.
Dazwischen war nur so ein Gefühl,
vielleicht ein Gedanke,
es könnte auch anders kommen,
ich könnte ein anderer sein,
könnte ein anderer werden.
Aber es kam, wie es kam. Ich bin ich.

Memento

Und der Tod, ihr Lieben,
erwartet uns alle.
Der gute alte Sensenmann
steht schon bereit, eines Tages
jeden von uns abzuholen.
Wie wird er empfangen?

Überdosis

Man muss sich das Heilige
gut einteilen. Zu viel davon
wird dein Leben retten, aber
zu wenig davon lässt alles
beim Alten. Wer will das schon?

Eure gläsernen Träume
zerbersten so schön
an den verbotenen Wörtern
all der toten Gehirne.

Aufwachen

Aufwachen ist wie Sterben,
wenn das Geträumte zerstiebt
und das, was war, nichts war
als Einbildung.

Blödigkeit

Ich war immer zu blöd,
das zu tun,
was nötig gewesen wäre,
um das zu bekommen,
was ich wollte.
Stattdessen wartete ich darauf,
dass es von selbst geschähe.
Man sieht ja,
was daraus geworden ist.

Davongekommen

Es gibt Menschen,

die haben eine Heimat.

Ich bin keiner davon. 

Ich war schon im Voraus

immer ein Fremder,

am falschen Ort geboren,

dort nie zu Hause,

wo ich zufällig wohnte.

Es ist mir gelungen,

nie dazu zu gehören,

keiner von denen zu sein,

die mitmachen müssen,

die sich abfinden wollen

mit dem Unzureichenden,

weil es ihre Heimat ist.

Einsicht

Ich mache niemanden glücklich.

Dazu bin ich nicht da.

(Auch wenn ich es gerne könnte.)

Aber wie ich immer sage:

Im Leben kommt es auf Glück nicht an,

sondern auf Gnade.

Daran arbeite ich.

Kein Überlebender

Ich bin kein Überlebender von irgendwas
und werde nie einer gewesen sein wollen.

Ich bin eher so einer, vermute ich mal,

der gleich als erster draufgeht, wenn es mal losgeht.

Dessen rühme ich mich nicht, es ist einfach so.

Verlauf

Die Grenze verläuft anderswo.

Zwischen Gut und Böse,

Wahrheit und Lüge,

Freiheit und Ausbeutung,.

Nicht zwischen Mensch und Mensch

und Land und Land.

Zwischen Macht und Ohnmacht,

Anpassung und Widerstand.

Nah dran

Ein Wort ergibt das andere,

jeder Gedanke geht weiter,

letztlich beinahe bis zu dir.

Metanoiete

Irgendwas ist ja immer.

Irgendein Grund, warum

man sein Leben nicht ändert,

ist schnell gefunden.

Jetzt isses grad ungünstig.

Nur noch rasch. Und außerdem.

Nein! Keine Ausreden mehr!

Ändere dein Leben,

du brauchst es.

Eilpost

Du bist 'ne Marke.

Ich lecke dich ab

und klebe dich auf mein Herz.

Das schicke ich per Eilpost 

an „Unbekannt verzogen“.

Eigenbau

Mein Gedicht ist mein Gedicht,

aber das macht nichts. Hauptsache,

es ist am Ende nicht alles gesagt.

Täuschung

Vater Morgana und Mutter Morgana

und Kind Morgana. Etwas

Dümmeres habe ich nie geschrieben.

Jedenfalls will ich das hoffen.

Überwältigt

Die unglaubliche Schönheit

dieser unglaublich schönen

jungen Männer war einfach

unglaublich. Er hätte sie

für den Rest seines Lebens

unentwegt anschauen können,

ohne je fassen zu können,

wie unfassbar schön sie waren.

Gruß von der Reise

Von unterwegs schöne Grüße.

Ihr müsst ja nicht bleiben.

Ich komme bald, auf Wiedersehen

anderswo. Das wird schon.

Und denk bitte immer daran.

wohin die Reise geht,

mach das Licht aus, zieh den Stecker.

Wir kommen schon zurecht.

Etwas Besseres

Gedichte sind albern,

das gebe ich zu.

Aber etwas Besseres

weiß ich auch nicht.

Jonas (in Ninive)

Einer wie ich sollte 

mit dem, was er sagt,

keinen Erfolg haben.

Sonst wäre die Welt

ein besserer Ort. Und 

dann hätte ich Unrecht.

Zum Abschied

Schön, dass du da warst,

aber komm bitte nicht wieder.

Hier gibt es für dich keinen Ort.

Und keiner hier kann dich leiden.

Bereitsein ist alles

Er legte sich die Wörter zurecht,

die er aufschreiben wollte,

wenn es so weit wäre. Aber

es kam nicht dazu, der Fall trat nie ein.

Die Gelegenheiten verstrichen

und die Wörter blieben ihm übrig,

ungebraucht. Und irgendwie nutzlos.

Schwacher Trost

Du hast Recht, wird es heißen,

du bist wirklich unerträglich.

Du hast eine Grenze überschritten.

Wir halten das nicht mehr aus.

Wie du vorhergesagt hast,

wollen wir mit dir nichts mehr

zu tun haben. Lass uns in Ruhe.

Und ich werde mich dann

nur damit trösten können,

dass ich einmal mehr Recht hatte.

Hoffnung, widervernünftige

Dass ich am Ende der Zeiten,

beziehungsweise danach, 

in der Ewigkeit also,

doch noch mit dir glücklich werde.

Das Leben

Zwischen Entscheidung

und Widerfahrnis

ist noch genug Platz

für Gnade.

Zur Poetik der Gedankenlyrik

Ist der Gedanke schön,

ist es auch das Gedicht.

(Oder etwa doch nicht?)

Anerkennung der Tatsachen

Manchmal sage ich mir,
dass ich meine Sache
gar nicht so schlecht mache.
Einer muss es ja tun.
Warum also nicht ich?

Zuwendung

Als ob nur du
solche Wörter hättest,
die mich zerstören können.
Andere haben die auch.
Aber von dir
sind sie mir lieber.

Wild und gefährlich

Sie patrouillieren und schaun,
ob einer Verse schreibt.
Den nähmen sie mit, dem
brächten sie die Flöten-
töne schon noch bei.
Drum sitzt der Dichter
ängstlich im Keller
und schreibt lieber doch nichts.

Ich war’s nicht

Was ist passiert? Wo bin ich

all die Jahre gewesen?

Wer hat mein Leben gelebt?

Und wer, wen ich fragen darf,

hat so jämmerlich wenig

aus meinem Leben gemacht?

Ich jedenfalls war es nicht.

So ein Glück

Ich hatte immer Glück:

Mein Glück war nie so groß,

dass ich es nicht fassen konnte.

Poetisches Bild

Glotzt nicht so romantisch,
hier gibt’s nicht zu sehn,
nichts, was euch nicht sieht.
Hier gibt es nur Wörter
und Gedanken, und ich weiß,
das überfordert viele von euch.

In der Sache

Ich bin nicht eurer Meinung,
war es nie und werde es
wohl auch niemals sein. Aber
das heißt nicht, dass ich allein
schon deswegen Recht hätte.
Ich habe zwar Recht, aber
aus ganz anderen Gründen.

Störung

Ich möchte gerne glücklich sein.
Aber ich weiß nicht, wie das geht.
Und es hätte wohl keinen Sinn,
es auf Geratewohl und
mir nichts, dir nichts zu versuchen.
Darum lasse ich es, wie es ist.

Herklit irrte

Der Weg hin und der Weg her

sind nicht derselbe. Beide Male

kann ich mich verirren.

Aber jedes Mal anders.

Pfarrhaushalt

Dass ich stets tauben Ohren predige,

macht meinen Dienst am Seelenheil der Leute

nicht weniger verdienstvoll. Nur nutzlos.

Bescheidung

Dies und das wünscht man sich,

das und das hätte man gern.

Dabei muss man schon froh sein,

wenn man am Ende

noch weiß, wie man heißt.

Sentimentales Statement

Ich habe kein eigenes Land.
Was Heimat sein soll, 

verspüre ich nicht.

Anderseits gibt es Orte,

an die ich gehöre, ohne dass

sie mir gehören könnten,

denen ich verfallen bin seit jeher, 

in der Gnade des Augenblicks,

die ich besuchen darf,

um rastlos zu verweilen

und dann ein Glück mitzunehmen,

das unzerstörbar bleibt.

Marmorsäulen

Marmorsäulen, zerbrochene,

bezeugen noch im Zerfallen

das Bleibende.

Gleichberechtigung

Da dir egal ist,

dass ich dich liebe,

ist auch mir egal,

dass du mich nicht liebst.

Sommer

Und wieder ein Sommer,
aus dem ich nicht gelernt haben werde,
und wieder ein Leben,
das ich nicht gelebt haben werde,
und wieder Erinnerungen,
die meine sein könnten.

An Dantes Grab

Sie auch hier? Nun, 

nicht ganz unerwartet.

Man hat davon gelesen,

wollte her. Hier also ist es.

Was aber heißt schon „hier“.

Hier ruhen allenfalls Gebeine.

Staub zu Staub.

Der Geist jedoch, 

der ewig ruhelose,

weht, wo er will,

ruht allenfalls in Gott.

Auch davon zehren wir.

Und gehen wieder fort.

Anrufung

Mit Wasser aufs Wasser schreibt
eure Hilferufe,
dann kommen die Seeleute
mit einem Bissen Brot.

Mit Feuer und Schwefel schreibt

eure Danksagungen,

dann kommen die Biedermänner

mit Löschpapier.

 

Mit Salz in den Augen schreibt

eure Entschuldigungen,

dann kommen die Ungeheuer

mit euren Träumen.

 

Mit letzter Kraft schreibt

eure Anklagepunkte,

dann kommen die Engelchen

und schwemmen euch weg.

Lagunenblick

Die Idee der Strömung

glitt an mir vorüber 

und ich erkannte sie nicht,

verspürte aber doch,

dass im Glitzern und Flirren

etwas Besonderes war.

Ächtung

Ihr habt völlig Recht, ich bin euer Feind.

Denn euren Lügen widerspreche ich

und eure Untaten beklage ich.

Ihr habt also Recht, mich zu verachten.

Glückstreffer

Dass einer mich lieben könnte,
einfach so, weil ich da bin
und weil ich bin, wie ich bin,
ist eine meiner schrägsten Phantasien.
Das darf man nicht ernst nehmen.

Widerstand

Irgendwann werde ich tot sein.
Das kann ich mir nicht vorstellen.
Und was bis dahin noch geschieht,
weiß ich auch nicht. Woher auch? Nur
eines weiß ich mit Sicherheit.
Aber ich verrate es nicht.

Selbst

Ich will mich gar nicht.

Aber ich muss ja.

Was also machen?

Das Beste daraus.

Hinterhergehinkt

Als es dann so weit war,
war ich noch nicht so weit.
So lief es immer ab,
immer war ich zu spät
dran in meinem Leben.

Der Gott dieser Nacht

Wer bist du schon, dass ich mir

in genau diesen Augenblick

mehr alles auf der Welt wünsche,

du würdest mich glücklich machen?

Glück

Glück ist
einzig und allein,
an dich zu denken.

Vollkommenheit

Du bist so schön.

Mehr ist da nicht zu sagen

als einfach immer nur:

Du bist so schön.

Pfingstrosen

Zurück zu den Pfingstrosen!

Aber nicht, um etwas zu beweisen,

sondern um einmal mehr

die Vergeblichkeit zu feiern.

Ego (III)

Kurz gesagt: ich.

Nämlich viele.

Jeder nach seinen Möglichkeiten

und bei Bedarf.

Dummheit

Dummheit ist meine Feindin,

auch wenn sie lächelt

und sich freundlich gibt.

Oder gerade dann.

Der Tod

Sterben ist vermutlich

keine lustige Sache.

Der Sensenmann grinst,

aber er lacht nicht.

(Noch ein Palaver)

Ich habe getan, was ich konnte.
Selbstverständlich ist es zu wenig.
Die Welt ist immer noch schlecht
und die Menschen fangen nicht an,
daran etwas zu ändern.
Ich habe also versagt.
Das war wohl vorherzusehen.
Aber schade ist es trotzdem.
Weniger für mich,
der ich tat, was ich konnte,
als für all die anderen,
für die ich tat, was ich tat,
und die nichts davon hatten,
weil sie nicht wollten.
Man hat mir nicht zugehört,
man hat mich nicht verstanden,
man wollte mich missverstehen,
man wollte mich widerlegen.
Ich aber wollte bloß,
dass man mir darin Recht gibt:
Wir müssen etwas ändern,
die Welt soll ein besserer Ort sein
für alle, das können mir machen.
Ich wollte doch bloß,
dass keiner mehr hungert,
dass keiner im Elend lebt,
dass keiner ausgebeutet,
vergiftet oder verblödet,
unterdrückt und verfolgt wird,
dass Lüge und Raub aufhören,
dass jeder genug hat von dem,
was er braucht, und glücklich sein kann,
kurzum, dass jeder jedem Freiheit schenkt
und sich seiner Würde erfreut.
Ich wollte doch immer nur
Partei ergreifen für die Schwachen,
die Wehrlosen, die Ausgeschlossenen,
die Verworfenen, die Unangepassten.
Ich wollte Partei ergreifen für das Kostbare,
das verschleudert wird,
und gegen das Wertlose,
das sich breitmacht.
Ich wollte nicht viel,
nur dass alles besser wird
und dass das Gute bleibt.
Ich wollte wahrgenommen werden,
um zeigen zu können,
was richtig und falsch ist,
welche Wege zum Guten führen
und welche ins Verderben.
Ich wollte, ganz ehrlich,
dass man mir Recht gibt,
wenn ich Recht habe,
und mich widerlegt,
wenn ich Unrecht habe.
Und dass man mir nicht sagt,
Wahrheit sei für jeden etwas anderes
und richtig und falsch gebe es gar nicht.
Als ob nicht das Leiden bewiese,
dass es gibt, was nicht sein soll,
und also das, was sein soll,
erkannt werden kann. Nicht nur von mir.
Ich bin nicht wichtig.
Ich habe mich auch nie wichtig gemacht.
Mir stand der Sinn nicht nach Erfolg,
denn ich hoffte, einfältigerweise,
mein Erfolg werde sich einstellen,
eines Tages, als Erfolg aller.
Ich wollte bloß anerkannt werden
als einer, der zum Erfolg beiträgt,
zum Wahren, Guten und Schönen.
Doch ich bin so schlecht darin,
die Leute dazu zu bringen,
auf mich zu hören.
Obwohl ich doch immer meine,
ich sei ganz gut darin.
den Leuten zu sagen,
was sie tun und lassen sollen.
Man hört nicht auf mich,
man macht sich lustig über mich,
man schweigt mich tot.
Aber es geht gar nicht um mich.
Ich bin nicht wichtiger als irgendwer,
aber jeder ist das Kostbarste, das es gibt,
das gilt es festzuhalten.
Mehr hatte ich gar nicht zu sagen.
Und dass Herrschaft böse ist,
weil sie die Würde missachtet
und zur Würdelosigkeit zwingt.
Aber man hört nicht auf mich.
Ich habe versagt. Wie gesagt.
Doch damit begnüge ich mich nicht.
Vielleicht hätte ich mehr tun können.
Vielleicht lässt sich noch etwas machen.
Viel wird es nicht mehr sein,
was ich noch tun kann,
aber bis ich nichts mehr tun kann,
höre ich nicht auf,
mich zur Wehr zu setzen
gegen die Bedeutungslosigkeit,
die man mir zuschreibt.

Affekt

Ich bin voller Hass

auf Dummheit und Bosheit

und voller Wut

über die Gleichgültigen,

die Dummheit und Bosheit

einfach zuschauen.

Fazit

Ich habe mein Möglichstes getan.
Es war nicht genug.
Jetzt seid ihr dran.

Glück

Ich liebte dich, aber

du wolltest das nicht, aber

ich konnte nicht anders, also

wenn das mal kein Unglück war.

Der bestirnte Himmel über mir

Kein Stern hat einen Namen,

wenn ihm kein Mensch einen gibt.

Aber die Sterne funkeln

auch so. Das sagt doch alles.

Epigramm

Sprache verändert sich, 

heißt es immer, 

wenn man Einwand erhebt. 

Schön und gut, aber warum 

verändert sie sich 

immer zum Schlechteren?

Der Brand

Der Tempel brennt. 

Jetzt hilft auch der Gottlose

eifrig beim Löschen mit, 

um sein Haus und sein Dorf 

vor den Flammen zu retten.

Ego

Bin ich eigentlich real?

Oder bloß ausgedacht? 

Und wer, wenn man fragen darf,

kommt auf solche Gedanken?

Cut-up

Sag mir, wo die Blumen sind.

Gott der Herr hat sie gezählet,

dass ihm auch nicht eine fehlet.

Wann wird man je verstehn

wann wird man je verstehn?

Wir Störenfriede hingegen

In einer ungerechten Welt

erreicht man durch Unverschämtheit

eine gewisse Harmonie. 

Wir Störenfriede hingegen

sind dafür noch viel zu harmlos.

Vor aller Augen

Nackt und bloß stehe ich plötzlich da,

wenn auch nur dein Name fällt.

Völlig wehrlos gegen die Scham,

dich einstmals geliebt zu haben.

Existenz

Immer wieder wollen sie mich

dazu bringen, dass ich glaube,

dass ich gar nicht existiere.

Aber es gibt mich, und ich bin

nicht nichts.

Meine Verworfenheit

Du verwarfst mich damals

mit einem Achselzucken.

Ich habe mir gestattet, 

daran seither zu leiden

wie ein geprügelter Hund.

Das Geschenk Gottes an die Menschheit

Schuld sind wie immer die anderen,

sie haben mich zerstört, indem sie mich nicht 

als ihren König anerkannten. 

Statt sich vor mir in den Staub zu werfen

und ihre Unwürdigkeit zu bekennen,

haben sie mich ignoriert. Statt zu sagen:

Du bist der größte Schriftsteller aller Zeiten,

der größte Denker, der Weiseste der Weisen,

auf dich wollen wir hören,

von nun an bis in Ewigkeit,

haben sie meine Texte liegen lassen

und, wenn sie doch halbherzig danach griffen,

meine Worte und Gedanken missverstanden.

Die Welt wäre ein so viel besserer Ort,

wenn alle täten, was ich ihnen sage.

So aber bin ich nichts und niemand

unter lauter Dummköpfen,

die auf den Untergang zurennen.

Ohne mich!

Eingeständnis

Alles an dir ist liebenswert.

Das weißt du nur nicht.

Und brauchst es auch nicht zu wissen.

Und ich sollte es nicht sagen.

Aber fühlen darf ich es doch.

Auszeit

Bin das ich

oder stirbt da ein anderer

über Jahre hinweg

einen einsamen Tod?

Bin das ich

oder kann das weg,

zu viel von mir,

zu wenig für euch?

Bin ich das

und musste das sein

oder hätte nicht vielleicht doch

vieles anders usw.

Ja, das bin ich,

so ist das jetzt eben,

lasst mich in Ruhe,

ihr habt es nicht anders gewollt.

Schuld

An meinen Händen klebt dein Blut

seit Jahrhunderten. Ich wasche es ab

in aller Unschuld mit Tinte.

Einhörnerkavallerie

Der liebe Gott soll wohl

seine Elfen losschicken,

damit sie dir Feenstaub

in den Hintern blasen,

oder was stellst du dir vor?

Ich kenne niemanden,

der wirklich glücklich wäre 

in seiner Zweierbeziehung,

also schon irgendwie glücklich, 

aber mehr so zufrieden damit,

wie es jetzt gerade ist,

oder vielmehr sich abfindend

mit all dem, was nicht passt.

Und vor allem, ganz ehrlich,

nicht allein sein wollend.

Das ist die Hauptsache.

Das wollte ich nie.

Lieber allein sein als abgestumpft,

als angepasst an Zustände,

die man nur erträgt,

weil es bequem ist

und so schön normal

und weil Einsamkeit

keine Alternative ist.

Wenn ich die Wahl gehabt hätte,

hätte ich immer den Wahnsinn gewählt,

die gegenseitige Steigerung,

die reine Gnade des Anderen.

Gemeinsam gegen die Welt,

Rücken an Rücken,

Herz an Herz, Hirn an Hirn.

Statt sich einzurichten,

es sich gemütlich zu machen

im Elend, sich abzufinden

mit großen und kleinen Ausreden

und der eigenen Trägheit.

Das behaupte ich einfach.

Aber wer lebt schon so?

Ich kenne niemanden.

Wie es ist

Ich hab dich lieb.

Du magst mich vielleicht.

Vielleicht auch nicht.

Jedenfalls nicht genug.

Du wirst mich nicht glücklich machen.

Du wirst mich unglücklich machen.

Das ist meine Sache.

Ich jedenfalls hab dich lieb.

Vorfrühling

Scheiß die Wand an, was für ein Tag!

Die Vögel kreischen vor Geilheit.

Und allerhand Grünzeug reibt

einem seine Geschlechtsteile

schon unter die Nase. Man spürt:

Endlich ist der Winter krepiert,

jetzt setzt es wärmere Tage.

Päonie

Wenn du Päonie sagst,

widersprichst du noch nicht,

stellst dich noch nicht entgegen,

aber ein Anfang ist gemacht.

Ein Spielverderber (II)

Was gehen mich eure Spielregeln an?

Ich habe meine eigenen.

Oder auch keine. Je nach Bedarf.

Hauptsache, nicht die euren.

Hauptsache, ihr bestimmt nicht über mich.

Hauptsache, ich kann mir sagen,

nach meinen Regeln hätte ich gewonnen.

Czernowitz

Ich bin in Czernowitz geboren,

sage ich, auch wenn es nicht stimmt,

wuchs dort auf oder anderswo

und wurde von dort vertrieben,

versteht sich, auch wenn es nicht wahr ist,

ich bin immer dort geblieben,

und ging daran zu Grunde und

überstand all das Schreckliche,

Unaussprechliche, von dem alle reden,

ich sage nur, es ist meine Stadt,

ich wohne noch heute dort,

wo ich nie war, ich war nie weg

und kehre immer dorthin zurück.

Ein Spielverderber

Man nennt mich einen Spielverderber. 

Aber ich bin bloß ein Kritiker

der Spielregeln, die mich verlieren lassen.

Darum ändere ich sie, jedenfalls für mich,

je nach Bedarf

und zur Not auch erst während des Spiels,

zu meinen Gunsten.

Ob die anderen, diese Verlierer,

das akzeptieren, ist mir egal.

Entweder ich gewinne.

Oder ich spiele nicht mit.

So sind die Regeln.

Beneficium

Ich verdiene dich nicht.

Aber niemand verdient dich.

Und du gibst dich trotzdem.

Revolutionäre Einsicht

Was du tust oder lässt,

verändert die Welt

zum allergeringsten Teil.

Aber immerhin: 

Es verändert sie.

Retrospektive

Wenn du mich geliebt hättest,

was hätte nicht alles aus mir werden können!

So aber ist aus mir nur der geworden, 

der sich immer noch fragt,

was nicht alles aus ihm hätte werden können,

wenn du ihn geliebt hättest.

Senfkorn

Ich bete und bete und bete.

Aber mein Wille geschieht nicht.

Ich fang schon fast an zu glauben,

dass in meinem Geschäftsmodell

irgendwie der Wurm drin ist.

Neuer Gedichtband