Freitag, 27. Dezember 2024

Menschenkenntnis

Der dort stinkt aus Gewohnheit
mehr noch als aus Gemeinheit,
obwohl etwas Gemeines
ihm zweifellos zukommt.
Das zeigt sein verkniffener Mund.
Jedenfalls stinkt er. Und alle
anderen leiden darunter.

Sonntag, 22. Dezember 2024

Ich muss dem lieben Gott
ganz schön auf die Nerven gehen.
Er kennt jeden meiner meiner Gedanken,
auch der dümmsten und übelsten,
er weiß schlechterdings alles von mir,
auch das, was ich nicht weiß.
Dabei bin ich zweifellos
kein außergewöhnlicher Fall,
nur ein ganz gewöhnlicher Sünder,
ziemlich läppisch und langweilig.
Und trotzdem liebt er mich.

Sonntag, 15. Dezember 2024

Altes Geleis

Der Zug ist abgefahren.
Du siehst ihn von hinten.
Da kann man nichts machen.
Da kannst man nur warten.
Schau mal, da kommt schon der nächste
Der wird dich überrollen.
Und, bist du dann glücklich?

Freitag, 13. Dezember 2024

Gemeinsame Sprache

Meine Wörter sind nicht
meine Wörter. Und die Ordnung,
in die ich sie bringen kann,
ist nicht meine Ordnung.
Mir bleibt also nur, 
auch wirklich das zu meinen.
was ich gesagt haben werde.

Montag, 25. November 2024

Unter Kollegen

Verstecke die Sinneffekte
auf dem Papier. Schreibe nichts,
was du nicht bereuen könntest.
Komm auf den Punkt, Punkt, Punkt.
Und lass dir um Himmels willen
anmerken, wie schön du bist.

Absage

Davon kann keine Rede sein,
dass man schweigen müsse.
Aber nicht angehört zu werden,
ist so ziemlich dasselbe
wie verstummen zu sollen.

Sonntag, 24. November 2024

Ein Hexensabbat

Seht her, ich bin der Messias,
sagt der Teufel. Betet mich an.
Und die Leute sagen: Hurra,
das ist doch mal was für uns.
Dem widerwärtigen Kerl
küssen wir gerne den Hintern
und lecken seinen Speichel.
Wie köstlich, rufen sie aus,
so gut haben wir noch nie
gefrühstückt. Jede Scheiße,
die man ihnen vorsetzt,
fressen sie mit Hochgenuss.
Tanzt, meine Kinderchen, tanzt,
ruft der Teufel. Und sie tanzen.
In gehorsamer Raserei
zertrampeln sie schamlos
jedes Bedenken. Sie singen:
Wir haben uns das verdient.
Das ist unser verdammtes Recht.
Es macht ja so viel Spaß,
verantwortungslos zu sein
und sich gehen zu lassen.
Unterwerfung ist Freiheit,
Gewalt ist Frieden und
Ausbeutung tut uns gut!
Dann holt sie der Teufel.

Freitag, 22. November 2024

So geschehen

Mein Wort steht neben mir.
Es ist mir herausgerutscht.
Jetzt will es nicht wieder zurück.
Ich kann es nicht zwingen.
Aber was soll’s. 
Dann ist das eben so. 
Dann bleibt es meinetwegen stehn.

Donnerstag, 21. November 2024

Letzte Ästhetik

Immer größere Löcher
ins Rettungsboot bohren
und gelassen bewundern,
wie schön es jetzt vollläuft.

Technischer Hinweis

Blinde Fische finden
auch einmal einen Wurm.
Und hängen plötzlich am Haken.
Nehmt das als Gleichnis
und schwimmt viel zu weit raus,
wo euch Hören und Sehen vergeht.

Wildwuchs

Irgendwelche Landschaften
sind besser als gar keine Gegend.
Da muss man erstmal hinkommen.
Da muss man erst rauskommen
aus der Komfortzone und sich
abfinden mit viel zu viel Grünzeug.
Reisen bildet. Wohnen verschlingt.
Ankomme Donnerstag.
Dann sehn wir schon weiter.

Fake

Das ist gar nicht der Fall.
Aber erklär das mal wem.
Die wollen nichts hören,
wollen nicht wahrhaben,
was ihnen nicht in den Kram passt.
Lieber scheitern die alle
an der Realität,
als sie wahrzumehmen,
als sich einzugestehen,
dass man sie angeschmiert hat.

Montag, 18. November 2024

Meine Sache

Wie komme ich eigentlich
immer wieder dazu,
wildfremden Männern mein Begehren
um die Ohren zu schlagen
und ihnen mein Herz
zu Füßen zu werfen,
dass das Blut nur so spritzt?
Das geht die doch gar nichts an.
Das ist doch nicht deren Sache.
Es ist ja kaum meine.

Mittwoch, 13. November 2024

Vorhaben

Nein, ich habe keinen Plan.
Es komme, was wolle.
Ich werde Haltung bewahren.
Es zumindest versuchen.
Und weiterhin machen,
was ich für richtig halte.
Ich werde wohl schreiben,
was ich zu sagen haben,
solange ich noch kann.
Auch wenn es niemand liest.
Ich will bis zum Schluss
Zeugnis ablegen von dem,
was ich für wahr halte,
und gegen das predigen,
was offensichtlich nicht wahr ist.
Das Schöne will ich schön nennen,
gegen alle Abgelenkten,
und das Hässliche hässlich,
das Dumme dumm, auch wenn
die Berauschten das Minderwertige
anbeten. Ich will treu sein
der Ewigkeit und barmherzig sein
mit den Schwachen, meinen Brüdern.
Dem Urteil meiner Zeitgenossen,
stelle ich mich, wenn es kommt,
wenn nicht, soll mir das auch recht sein. 
Allenfalls ein kleines bisschen
Hoffnung auf die Nachwelt
will ich mir erlauben.
Aber auch von der hängt nicht ab,
was ich tun will.

Winterliche Märchenwelt

Die Welt dort draußen
kommt mir feindselig vor,
eiskalt und menschenleer.
Aber leider voller Leute.
Die einander gleichgültig sind.
Unwirtliche Gegenden.
Freilich, manchmal vermag schon 
ein einziges freundliches Wort,
ein Witzwort vielleicht, 
den Zauber zu lösen.
Und aus steinernen Gestalten
werden wieder Wesen,
die schmunzeln, lächeln, lachen
können. Wenn sie nur wollen.

Ecce poeta

Überallhin folgen die Verse
mir nach. Wo ich geh und steh,
stellen sie sich ein. Unweigerlich.
In guten wie in schlechten
Gedichten zu denken,
ist köstlicher Unfug
und gefährliche Wohltat.
Schaut her, ich bin nicht ganz dicht.

Unfertig

Du hast mich verrotten lassen
wie einen aufgegebenen Rohbau,
jedweder Witterung ausgesetzt,
zerfallen, überwuchert, verdreckt,
Spielplatz für allzu kühne Kinder
und ihre Lust an Zerstörung,
Heimstatt für allerhand Ungeziefer,
Unterschlupf von Verzweifelten.
Ein grässlicher Ort. Zum Vergessen.
So hast du mich werden lassen
und weißt nichts davon, du Armer.

Montag, 11. November 2024

Außenperspektive

Meine Selbstgefälligkeit ist unerträglich.
Ich halte mich wohl für etwas Besseres
und scheine zu meinen, warum auch immer,
alles und jeden beurteilen zu können.
Aber die Wahrheit sieht ganz anders aus:
Ich bin vielmehr ein Nichts und ein Niemand,
keiner kann mich ernst nehmen, keiner kennt mich.
Was ich sage, ist leeres Gerede
eines aufgeblasenen Wichtigtuers.
Da steckt nichts dahinter, das ist
überhaupt nicht vernetzt, ohne Rückhalt,
völlig isoliert und ohne Bedeutung.
Ein Verrückter, der verrücktes Zeug schreibt.
Von mir braucht keine Rede zu sein,
auf mich braucht niemand zu hören. So sieht’s aus.

Sonntag, 10. November 2024

Erfolgsgeschichte

Ich bin nirgendwo angekommen.
Aber das macht nichts,
denn ich wollte ja nirgendwo hin.
Allenfalls hätte ich es gern gesehn,
wenn schon zu meinen Lebzeiten
hier etwas anders geworden wäre,
nämlich besser. Nicht nur für mich.

Asyl

Mein Gedicht ist meine Zuflucht.
Hier kann mich keiner.
Hier gilt, was ich sage,
aber ich mache, was ich will.
Hier bin ich weitgehend sicher.
Denn hier verrate ich mich
allenfalls selbst.

Samstag, 9. November 2024

Schwarze Zeiten

                            In honorem P. P. P.

Oben auf dem Kalvarienberg
hatten wir die beste Aussicht.
Das Blut floss zur Genüge.
Schmerzensreich standen die Mütter
um brennende Mülltonnen.
Das Ende war immer nahe.
Und wir waren jung genug,
um unerbittlich zu sterben
für die Wahrheit. Die Wahrheit,
die keiner hören wollte.

Kommentarfunktion

Das Offensichtliche ist
eure Sache nicht. Ihr klebt
am Eingebildeten fest
und zerstört einander,
indem ihr wegschaut
und euch gnadenlos berauscht
an leeren Versprechungen.
 
Meine Stimme, ein Rinnsal,
ein Tropfen auf heißen Stein,
wird euch nicht retten.
Auch das ist offensichtlich.

Freitag, 8. November 2024

Daumenschrauben

Oder wie er so gern sagt:
die Haut zu Markte zu tragen.
Nicht gerade fiebrig,
eher sparsam. Unglück
muss zaghaft verwaltet werden.
Schau nur richtig hin:
Da gibt es keine Stelle.
Jedenfalls keine bekömmliche.
Es stimmt schon: Man müsste
mit sehr viel mehr Nachdruck
dasselbe erreichen können.
Abwarten und ausreichend trinken.
Noch wandern die Wölfe im Dickicht.
Irgendwas kommt in die Gasse
und der Brotsuppen sind viele.
Ich bin das Salz. Wer sind Sie?

Donnerstag, 7. November 2024

Selbstversuch

Ich bin kein Blender
und wollte nie einer sein.
An mir kann sich keiner berauschen.
Bei mir gibt es nur Brot und Wasser,
nicht Schampus und Koks.
Aber gutes Brot, sauberes Wasser.
Auch schenke ich reinen Wein ein.
Wer mich liest, soll sagen: Aha,
so also kann man das auch sehn,
darüber muss ich wohl noch
einmal ernsthaft nachdenken.
Das scheint mir nicht wenig.
Ich appelliere an den Intellekt
und den Humor. An den Sinn
für Gestaltung und Bildung.
Nicht aber strebe ich an,
Gefühle und Gedanken
für meine Zwecke zu missbrauchen.
Ich will nicht überreden,
ich versuche zu verstehen
und zu verstehen zu geben.
Ich will überzeugen von dem,
was ich für wahr halte, nicht
verkaufen, was Profit bringt.
Und ich will nur für wahr halten,
was wirklich wahr ist, nicht
das gängige Falschgeld der Menge.
Darum stehe ich abseits.
Darum ignoriert man mich. 
Darum bewirke ich so wenig.
Mit mir ist kein Staat zu machen
und keine Schule zu gründen.
Aber von mir kann man lernen,
sich frei zu machen.

Mittwoch, 6. November 2024

Prophetisches Gerede

Mir ist es ja egal, aber euch
kann nur noch ein Wunder retten.
Was ihr einander so antut
und wie ihr die Welt entstellt
und zerstört, die euch anvertraut ist,
führt sonst stracks in die Hölle. Vielleicht
nicht heute oder morgen, doch bald.
Eure Bosheit wird euch auffressen.
Und sie tut es ja schon. Merkt ihr nichts?
Überall Blut und Verwesung.
Das riecht man doch. Und noch mehr.
Seuchen und Kriege genügen
euch nicht, Hunger und Elend,
nein, gegen euch sollen sogar
die Elemente rebellieren.
Stürme und Brände und Beben
und Fluten. Ihr schaut zu,
wollt aber nichts sehn. Doch
so viel Tünche habt ihr gar nicht
oder Parfüm oder Glitzer,
um das vor euch zu verbergen.
Auf Teufel komm raus versucht ihr
trotzdem, euch abzulenken von euch,
wollt die Katastrophen, die ihr seid,
ignorieren. Das geht schief.
Lügen und buntester Wahnsinn
zersetzen eure Gehirne.
Ihr taumelt so dahin, betäubt euch,
kauft ein und habt Spaß, wie gewohnt,
aber nichts stimmt mehr. Und ihr
funktioniert nur noch provisorisch,
rettet euch von Urlaub zu Urlaub,
von Ausrede zu Ausrede,
von Glückskeks zu Glückskeks.
Im Mund ein schlechter Geschmack,
den nichts mehr wegspült.
Das alles ist völlig sinnlos.
Denn es gibt keine Rettung
ohne Reue und ohne Umkehr
kein Wunder. Ihr seid schon gescheitert.
Und bald werdet ihr es merken.
Dann wird es, versteht sich,
für immer zu spät sein.

Zwischen den Fischen

Oder sagen wie so:
Noch vor aller Streckenführung
brechen die Sterne in Stücke.
Das ist keine Frage der Löffel.
Das verschraubt sich von selbst.
Eine gewisse Unsicherheit
freilich bleibt, wie gesagt,
zwischen den Dahlien hängen.
Dann regnet es auf Erinnertes.
Bis der königliche Gefangene
wie ein vergessener Pudel
dem Puderzucker entsteigt.
Das war anders angedacht.
Aber wer braucht schon Helsingör?
Kaktus um Kaktus geht es voran.
Und das Ende ist absehbar.

Huflattich

Oder Gabeln überhaupt.
Sodass hinter den Löchern
kein Auge trocken bleibt.
Je nackter die Tatsachen,
desto sonniger der Mond.
So ein Pferd fällt nicht einfach um,
einem Schraubstock nicht unähnlich.
Das rutscht und das stürzt,
das schlittert und splittert ―
und ab in die Ritze.
Die Schiene glüht noch von gestern.
Derlei kommt vor. Da fährt
kein Regenbogen dazwischen,
nur ein einsames Schluchzen
plustert sich immer mehr auf
und erlischt dann am Morgen.

Schiffshebewerk

Was weiß man schon, was die Linsen,
die Erbsen, die Bohnen und all das
andere Schüttgut vom Fleck weg
durchblicken lassen. Wie die Möwen
sitzen die Möwen auch irgendwo.
Sollen sie sitzen. Mauer ist Mauer.
Beim letzten Rundgang geht gar nichts.
Was meinst du mit Hagebutten,
obwohl es nicht schneit?
Immer mal wieder ein Haubentaucher,
wie aus der Steckdose. Sieh nur:
Der Anfang platzt aus allen Nähten.
Und aus dem Nähkästchen
flüstert der Nadelwald: Komm schon!

Montag, 4. November 2024

Kritik

Die Wirklichkeit gefällt mir nicht,
so wie sie ist. Ich hätte gern
eine andere. Doch mit euch,
wie's scheint, ist das nicht zu machen.

Nur zu Besuch

Ich wohne in meinen Träumen
und schaue nur ungern vorbei,
nur wenn es unbedingt sein muss,
in eurer wachen Wirklichkeit.

Freitag, 25. Oktober 2024

In Verarbeitung

Die Zeichen stehen auf Wurm.
Es krümmt sich bezeiten,
was den aufrechten Gang
nicht mehr will, sondern
Kreuchen und Fleuchen.
Der Haken an der Sache 
soll nicht mehr erwähnt
und auch schon nicht mehr
am eigenen Leibe
verspürt werden.
Fischköder wir alle.

Überlegung

Muss ich mich mit mir zufrieden geben
oder darf ich mehr erwarten vom Leben?
Soll ich einknicken vor den Zufällen,
die mich ausmachen? Oder kann ich von mir
verlangen, doch noch besser zu werden?
Nimm es hin, wie es ist, rät mir die Schwäche.
Und die Trägheit rät: Ändere bloß nichts.
Am Ende hängt wieder alles von mir ab.
Also mache ich weiter wie noch nie zuvor.

Donnerstag, 17. Oktober 2024

Unterm Radar

Ich möchte eher nicht behelligt werden
von euren Behörden, die dazu da sind,
euch davor zu beschützen, sie abzuschaffen.
Zwar wäre es vollkommen richtig,
wenn sie in mir ihr Feind sähen,
mich für ihnen gefährlich hielten
und mich verfolgten. Aber so,
wie es ist, ist es mir lieber.
Keiner kennt mich, keiner verfolgt mich.
Unterm Radar will ich fliegen,
um nicht abgeschossen zu werden.
Oder lieber gleich am Boden bleiben,
in keines Hangars Nähe kommen,
gar nicht wissen, was ein Flugzeug ist.
Ein verhinderter Ikarus will ich sein,
der sich nur im Verborgenen einbildet,
der Sonne zu nahe kommen zu können.

Samstag, 12. Oktober 2024

Kinderglaube

Alles wird gut. Wenn nicht heute,
dann morgen oder übermorgen
oder sonst irgendwann später.
Spätestens am Ende der Zeiten.
Dann wird alles gut gewesen sein.
Das Gute wird gesiegt haben
und das Böse bedeutungslos sein.
Daran glaube ich fest. Denn alles
andere wäre ja schlimm.

Dienstag, 8. Oktober 2024

Fakt

Dieses Gedicht gab es nicht,
bevor ich es schrieb. 
Mehr ist dazu nicht zu sagen.

Passant

Aha, sagte er.
So ist das also.
Hätte ich nicht gedacht.
Kann man wohl nichts machen.
Und ging weiter.

Starrsinn

Wider besseres Wissen
bestehe ich darauf,
dass alles gut werden wird.
Man wird mir recht geben,
weil ich immer schon Recht
gehabt haben werde.
Man wird einräumen müssen,
widerwillig oder 
begeistert bewundernd,
dass alles, was ich bis dahin
geschrieben haben werde,
weise und schön ist.
Daran arbeite ich.
Und werde scheitern. 
Aber das macht nichts.
Ich bin trotzdem im Recht.

Samstag, 5. Oktober 2024

Kein Konfliktlösungsansatz

Die bombardieren die
und die schießen zurück
und vergelten die Vergeltung.
Ein Menschenleben ist nichts wert
und leicht zu beenden.
 
Da kannste nix machen.
Da kannste nur wegschaun.
Und hoffen, dass es vorbeigeht.
Da sagste besser nichts.
Da gibt es kein Richtig, nur Falsch,
und jedes Wort stolpert
durch ein vermintes Gelände.
 
So ist das eben. Ist es so?
Im Grunde ist es ganz einfach.
Deine Leute sind die Wehrlosen,
die, auf die keiner hört.
Bleib auf der Seite der Schwachen,
wohin du immer hingehört hast.
 
Ergreife ihre Partei.
Du darfst da nicht wegsehn.
Du kannst immer noch unterscheiden
zwischen Lüge und Wahrheit,
zwischen Recht und Unrecht,
zwischen Leben und Tod.
 
Lass dich nicht irremachen
von der Angst der andern,
von ihrer Wut, ihrem Wahn.
In einer Welt voller Hass
hasse auch du, aber hasse
Tod und Zerstörung.

Donnerstag, 26. September 2024

Blasonierung

Mein unsichtbares Banner,
auf meinem Feldherrnhügel
aufgepflanzt, zeigt mein Wappen:
vor dunklem Grunde
ein paar Wörter.

Donnerstag, 12. September 2024

Herbstlicher Tag

Und wieder gefangen
in einer Jahreszeit,
die nicht aufhören will,
mir schon am ersten Tag
auf die Nerven zu gehn.

Sonntag, 8. September 2024

Weigerung

Draußen ist es gelb.
Ich möchte nicht gelb werden.
Drum bleib ich drinnen.

Mistviecher

Alle meine Sorgen
singen mir ein Lied,
singen mir ein Lied,
aber nicht, um mich aufzubaun,
sondern um mich zu verarschen.
Diese Mistviecher!

Und so weiter

Ich bin verloren.
Ich bin zerrieben.
Ich bin verweht.
Von mir ist nicht übrig.
Ich wurde weggeschwemmt.
Ich bin versunken.
Ich wurde verschluckt.
Ich bin zu Grunde gegangen.
Es hat sich erübrigt.
Mein Platz ist leer.
Man hat mich abgerissen.
Man hat mich eingeebnet.
Man hat mich überbaut.
Man hat mich vergessen.
Man hat mich nie gekannt.
Man hat nie etwas wissen wollen 
von mir und meinem Zeug.
Das hat sich erledigt.
Da ist nichts. Da war nichts.
Da wird nie etwas gewesen sein.

Mittwoch, 21. August 2024

Bedeutung

Dass mir der Sinn nicht gehört
und mir nicht zu Willen ist,
dass er ganz anders sein kann,
als ich es gerne hätte.

Ad me ipsum

Hörst du’s? Gott lacht.
Auch über dich.
Doch es ist ja ein zärtliches Lachen,
gutmütiger Spott eines Liebenden.
Aber du bist manchmal einfach
zu komisch, du kleiner Narr, wie
sollte dein Gott da nicht lachen.

Sonntag, 11. August 2024

Absage

Wieder und wieder bin ich der Falsche,
ich sehe es ein, ich komme nicht zurecht
mit den Anforderungen eures Lebens,
den Erfordernissen der Gewöhnlichkeit.
Eure Genüsse sind nicht meine Genüsse,
euer Begehren ist nicht das meine.
Selbst wenn ihr über meine Witze lacht,
befinde ich mich in einem anderen Irrtum
als ihr. So kommen wir nicht zusammen.
Der Umgang mit euch langweilt mich qualvoll
und reizt mich nicht einmal zum Widerspruch.
Ich will das nicht, so nicht und nie wieder.
Lasst mich doch einfach in Ruhe.
Lasst mich in Ruhe arbeiten an dem,
was euch gleichgültig ist und sein muss,
und vergesst mich am besten.
Ich nütze euch ja doch nichts,
weder lebendig noch tot.
Ihr aber schadet mir.

Mittwoch, 7. August 2024

Das Tägliche

Ergreife den Mittwoch
oder jeden andern
und lebe dein Leben
sorgsam, aber sorglos
auf ein Besseres zu.

Dienstag, 6. August 2024

Sattelfest

Er komme recht gut voran.
rief er den Zuschauern zu
und beeindruckte alle
mit seiner Zuversicht.
Nur saß er verkehrt herum
auf dem Gaul, der zudem, 
man muss es leider sagen,
längst tot war.

Ballade (Von der Lawine)

Der Suchtrupp ist zurück.
Da war nichts zu machen.
Mal schaun, was der Gletscher
im Frühjahr so freigibt.

Samstag, 3. August 2024

Mein Gedicht

Die Rose reimt sich nicht
und tänzelt nicht und pfeift
sich keins. Sie steht nur da.
Hat Stacheln. Selber schuld.

Der Rosenzüchter

Er züchtete keine Rosen,
er nahm sie, wie er sie vorfand,
was aber hieß, so wie andre
sie ihm vorgezüchtet hatten.

Dienstag, 30. Juli 2024

Götzendienst

Eure Hühnergötter
machen mir keine Angst,
mich erschreckt vielmehr
und lässt mich Schlimmes befürchten,
dass ihr selbst nicht an sie glaubt.

Sonntag, 21. Juli 2024

Maxime Q.

Viel lieber ein Ritter
von trauriger Gestalt
als eine Windmühle,
wäre sie noch so schmuck,
oder gar ein Riese,
ein missverstandener.

Samstag, 20. Juli 2024

Heimkehr

Und nach dem Krieg, so kahl,
und schmutzig, so unerhört
verstummt, vielfach verwundet,
diese befremdliche Landschaft,
diese gewesene Stadt,
in unvorstellbarer Ferne
ein Leben, Hoffnung Glück
für die andern. Verwundert,
auch noch am Leben zu sein.

Eigenart

Ich bin nicht gemacht für die Einsamkeit,
noch weniger für die Geselligkeit.
Ich rede gern und höre gut zu,
aber ich mag das viele Geschwätz nicht.
Am liebsten stehe ich im Mittelpunkt,
als Ansager, Vordenker, Spaßmacher.
Wenn alle abgelenkt sind, weil sie nur
auf mich schauen müssen, kann ich endlich
so einzigartig und alleine sein,
wie es mir zukommt.

Sonntag, 14. Juli 2024

Montag, 8. Juli 2024

Ungute Stimmung

Mir ist so gar nicht wohl dabei,
am Leben zu sein. Nicht, dass ich
was Besseres wüsste. Man müsste
aber doch glücklich sein können.

Mittwoch, 3. Juli 2024

Jeder träumt für sich allein

Meine Träume sind nicht
deine Träume, sind nicht
seine Träume, sind nicht
all die Träume der andern,
aber unbedingt notwendig,
um die Welt zu verändern.

Dienstag, 25. Juni 2024

Fossil

Übrigens bin ich ein Dinosaurier.
Also praktisch schon ausgestorben.
Ich zögre es nur noch hinaus,
mich auch theoretisch aufzugeben.

Freitag, 21. Juni 2024

Es grünt

Dass in den Blumenkisten auf meinem Balkon
keine Blumen wachsen, nur Grünzeug, nichts Buntes,
das das Herz erfreut, sondern Grünzeug 
und immer nur Grünzeug, ist wie ein Gleichnis.

Donnerstag, 20. Juni 2024

Fahle Skzizze

Gelbgrauer Himmel, 
darunter die Menschen
auf freudloses Bahnen dahinziehn.
Blass ihre Wälder und blass ihre Wiesen,
blass ihre Flüsse und Felder,
grell und verstaubt ihre Städte.
Alles so blass. Wie gechlort.
Alles so billig zu haben und so
teuer erkauft mit dem Elend,
mit dem farblosen, freudlosen
Elend der Welt.

Mittwoch, 19. Juni 2024

Zelle

Blind betete er
wie gegen eine nackte Wand.
Er verlangte kein Zeichen
als das Zeichen des Jonas.
Das Wort und die Leere
allein sollten genügen.

Ruhmsucht

Nennt mich einen Dummkopf,
aber nennt mich. Verschweigt mich nicht.
Genannt werde mein Name
unter anderen, wie auch ich
immer meinen Namen nenne,
bis man ihn kennt. Nennt mich,
wie ihr wollt, aber nennt mich.

Nachts

Und in den Bäumen
sitzen die Wölfe,
singen so zärtliche Lieder.
Weiß glänzt im Mondlicht ihr Fell.
Schlafen sie, hüten sie 
in ihrem hungrigen Blut
wilde, verwegene Träume von
Jagd und gemeinsamem Mahl.

Revolution

Du weißt es. Ich weiß es.
Viele wissen es schon.
Kaum einer tut etwas.
Die meisten schaun weg.
Wie es ist, soll es nicht sein,
wie es sein soll, ist es nicht.
Das muss sich ändern.

Kleines Bild

Auf der Lichtung steht der Hirsch
und röhrt. Wer ihn hört, 
dem geschieht’s (oder nicht), 
dass ihn ankommt mit Macht
des Waldes Urgewalt,
gegen die er nicht ankommt.
Schweigen. Der Rest wird sich zeigen. 

Freitag, 14. Juni 2024

Warum ich schreibe

Ich schreibe, weil ich will, nicht weil ich muss.
Ich schreibe, weil es mir Freude bereitet,
zu schreiben und geschrieben zu haben.
Schreibend vergewissere ich mich
meiner selbst und stelle mich in Frage.
Ich schreibe, weil es mich ausmacht,
zu schreiben, geschrieben zu haben und
bis auf weiteres immer weiter zu schreiben.
Wäre mir das Schreiben eine Qual
oder fiele mir nichts mehr ein,
dann schriebe ich eben nichts mehr.
Ich muss ja nicht schreiben.
Ich kann es auch lassen.
Wenn ich aber schreibe,
schreibe ich, wie ich will.
Ich hänge nicht der Vorstellung an,
das zu Schreibende existiere schon,
bevor es geschrieben wird
und müsse nur noch geschrieben werden.
Was ich schreibe, gibt es nur,
weil ich es geschrieben habe.
Ich schreibe, damit das Geschriebene
in der Welt ist und gelesen werden kann.
Ich schreibe, um gelesen zu werden,
nicht immer, aber im Grundsatz.
Ich schreibe, um etwas mitzuteilen,
und oft, um etwas loszuwerden.
Ich schreibe, weil mir etwas aufgefallen ist
und weil mir etwas eingefallen ist.
Ich schreibe, weil mir etwas gefällt
oder mich ärgert. Die es lesen,
sollen sich ärgern oder freuen,
jedenfalls aber sich etwas dazu denken,
wenn sie das können und wollen.
Ich schreibe für andere,
weil ich für andere schreiben will.
Ich schreibe, um etwas vorzuführen,
vielleicht auch mich. Ist das Eitelkeit?
Mir scheint, zum Schreiben gehört
die Bereitschaft, sich auszusetzen,
sich fassbar und angreifbar zu machen,
sich dem Urteil anderer zu stellen,
also nicht nur Geschriebenes, 
auch sich selbst vorzuführen
in aller Grandiosität und Lächerlichkeit.

Donnerstag, 13. Juni 2024

Am Rande der Selbstüberschätzung

Haltet euch von mir fern.
Ich bin gefährlich für euch.
Es könnte sein, wer weiß, 
dass ich euch zum Denken verführe,
zum selbständigen Denken,
statt zum Nachplappern der Phrasen,
die man euch eintrichtert
auf tausend kaum merkbare Weisen.
Euch könnte auffallen, 
dass ich anders bin, anders rede,
andere Denkweisen vorschlage,
als ihr es gewohnt seid
in eurer komfortablen Konsumwelt,
verwirrend anders, aber vielleicht,
wenn die Verwirrung sich legt,
auch seltsam anziehend anders,
Welt erschließend, Selbst erklärend
und nicht zuletzt Zukunft bietend,
eine, die besser ist, nämlich
frei und gerecht und reichhaltig,
nicht so leer und eingelullt und böse,
wie andere sie euch auferlegen.
Haltet euch also von mir fern,
wenn ihr eure Leben nicht ändern wollt.

Mittwoch, 12. Juni 2024

Kleiner Irrtum

Hast du wirklich gemeint, armer Narr,
die Leute seien zwar dumm und gemein,
wären es aber gleich viel weniger
(und dir dankbar), wenn du ihnen sagtest,
wie dumm und gemein sie doch sind?

Montag, 10. Juni 2024

Jobsuche

Aus seiner Haut heraus müssen,
um sie zu Markte zu tragen:
Das ist lächerlich. Ändert es!

Donnerstag, 6. Juni 2024

Chien

                                    à Michaux
 
Je suis chien.
Mon amour est total
est sans reserve.
Je défend les miens
avec trop bruit
et avec une joie radicale
j'invite aux tendresses.
Et je couche.
Finalement et inévitablement
je couche.
Je suis chien.

Komische Elegie

Was soll ich sagen?
Ich bin nicht ganz dicht,
ich bin Dichter. 
Und nah dran am Narren.
Versteht ihr mich?
Ich verstehe es nicht.
Das soll ich sagen.

Mittwoch, 5. Juni 2024

Doch, doch, ich gehe pfleglich mir mir um.
Was denn auch sonst? Wen hätte ich noch,
der so wie ich für mich da ist?
In guten wie in schlechten Zeiten
muss ich mich auf mich verlassen können.
Zwar gehe ich mir zuweilen auf die Nerven
und kann mich selbst nicht leiden. Doch meistens
komm ich gut mir mir zurecht. So halbwegs.
Man rauft sich halt zusammen mit sich selbst
über die Jahre. Man wird milder
und schraubt die Ansprüche herunter.
Am besten, man lässt sich in Ruhe
und wartet auf das Glück des Augenblicks.

Knecht und Herr (Lehrgedicht)

Der Kellner bedient den Gast.
Der Benutzer bedient das Gerät.
Ich bediene mich hier
eines sehr einfachen Mittels.

Montag, 3. Juni 2024

Besuch

Nach außen gestülpt
ist die Existenz
unter anderen
eine andere.

Dichterelend

Im Spätwerk brennt noch Licht,
da will noch jemand hoch hinaus
und für Gelächter sorgen
beim heillosen Gelichter,
als wär da nichts und niemand,
der den Ernst der Rose erfasst.

Mittwoch, 29. Mai 2024

Torso

Die Augäpfel sind schon reif
und fallen aus den Höhlen
wie Birnen vom Baum.
Von dieser Stelle aus
sieht man nichts mehr.

Sündenbock

Kommt, opfern wir
den Außenseiter.
Keiner braucht ihn.
Keiner will ihn.
Lasst ihn uns nützen
und in die Wüste schicken
zum Schuldentilgen.

Ästhetizismus

Kommt, opfern wir
der Kunst die Welt
und wählen so,

wär’s auch Gewalt,
statt Gemeinem
und Hässlichem
ewige Schönheit.

Leerstelle

Das muss frei bleiben.
Da kommt noch was hin.
Da lassen wir Platz
für das Unerwartete.

Zuversicht

Das wird schon.
Da kommt noch was.
Da ist das letzte Wort
noch nicht gesprochen
und nicht aller Tage Abend.
 
Es gibt ja noch so viel
zu sagen, auch wenn
niemand weiß, was und warum.
Aber das wird schon.

Kreuzweise

Du kannst mich mal
von meinen Sünden erlösen.
Dann schaun wir mal,
wie ich mich revanchieren kann.

Dienstag, 28. Mai 2024

Antinietzsche

Hier warn wir schon.
Wir sind im Kreis gegangen.
Lasst uns umkehrn
und anders abbiegen.

Apokalyptisches Gebet

Dein Wille geschehe, nicht meiner.
Aber man wird sich ja wohl
noch etwas wünschen dürfen.
Lass mich also bitte Recht haben
damit, dass die Menschen,
weil sie nicht auf mich hören wollen
(oder dich) früher oder später
ihre Welt an die Wand fahren werden.

Montag, 27. Mai 2024

Vorsatz

Ich will alle enttäuschen.
Niemand soll mit mir zufrieden
sein können. Nur so kann ich
sicher sein, dass ich meinen Weg
gegangen und nicht bloß anderen
hinterhergelaufen sein werde.

Freitag, 24. Mai 2024

Hinterlassenschaften

Überall schmieren die Menschen sich hin.
Die Welt wird zum Abtritt ihrer Begierden.
Nichts ist ihnen heilig und nichts sicher
vor ihrem Zugriff. Sie sind widerwärtig.
Als gäb es nur sie und immer nur sie,
verdrecken, vermüllen, verunzieren sie
alles mit ihrem sinnlosen Dasein.
Wer kann's noch ertragen, dass es Menschen gibt!

Donnerstag, 16. Mai 2024

Manchmal

Manchmal will es mir scheinen,
ich hätte ans Entsetzliche
mich schon gewöhnt. Manchmal
aber erschreckt es mich doch noch
fast zu Tode. Doch noch. Fast.

Montag, 13. Mai 2024

Kunde

Weil es Märchen gibt,
gibt es Wahrheit, die nicht
aufgeht darin,
verordnet zu sein.
 
Weil es Wahrheit gibt,
gibt es Hoffnung
auf Widersetzlichkeit.

Samstag, 4. Mai 2024

Dort draußen

Dort draußen sind die Leute
und leben ihre Leben
ohne mich.
Ich habe nie dazzugehört.
Ob ich nicht wollte,
ist schwer zu sagen.
Dass ich nicht konnte,
wissen wir alle.

Freitag, 3. Mai 2024

Religion

Weil man doch nur so wenig tun kann,
wäre es da nicht am besten, man täte
nur das, was wirklich wichtig ist:
sich ganz und gar hinzugeben ans Höchste.

Unter Menschen

Die Menschen muten sich mir zu,
ungefragt und auf Weisen,
die geeignet sind, mich zu verärgern.
Zum Glück bekomme ich das meiste
gar nicht erst mit, aber mir reicht,
was mich schier in den Wahnsinn treibt-

Dienstag, 9. April 2024

Ein heißer Tag im April

Es riecht schon verzweifelt nach Sommer. 
Die Vögel kreischen ums Überleben.
Brünstig streben die Blumen zur Sonne.
Alles blüht, als gäb's kein Morgen mehr.

Bis zum Erbrechen vollgestopft
ist die Luft mit Erinnertem
aus Kindheit und einer Zukuft,
die keiner mehr abwarten will.

Gleich wird gegrillt. Schon wird viel nackte Haut
geboten, schonungslos leichenblass.
Wenn das der Frühling ist, wie schrecklich
wird dann erst der Sommer wüten müssen?

Ein Totentänzchen

Da kommt in weißer Kutte
Gevatter Hein, er hebt das Bein,
und schon setzt ein als wie zum Tanz
der Sense flottes Zischen.
Und Bein an Bein fällt ein
ins Ringelreihn ein jeglicher,
mal links herum, mal rechts herum,
ab durch die Mitte, fideldum.
Und noch vorm End der Melodei
ist's mit dir selber auch vorbei.
Dann geht der Tod, der alte Schnitter,
vom Feld und grinst. Adieu!

Samstag, 6. April 2024

Ans Peloton

Na gut, dann erschießt mich eben.
Fürs Erschießen habt ihr ja
eine Schwäche. Ich fürs Leben.
Aber das ist meine Stärke.

Donnerstag, 4. April 2024

Stabilitas loci

Im Kloster Utopia
wohnen die Mönche nicht dauernd.
Auf unendlicher Pilgerschaft
sind sie Gäste des Geistes,
der weht, wo immer er will.

Samstag, 30. März 2024

Karsamstag

Es ist immer Karsamstag.
In Zeiten wie diesen,
auf Erden, wo Menschen
über Menschen herrschen,
ist Gott immer tot und
sein Aufstand steht noch aus.

Freitag, 8. März 2024

Selbstkritisch bleiben

Woran es mir zweifellos mangelt,
sagte er, ist Wehleidigkeit.
Aber ich arbeite daran.
Jeden Tag ein bisschen mehr jammern,
auch wenn einem eigentlich nichts fehlt,
dann wird das schon was. Oh weh!

Donnerstag, 7. März 2024

Wo bleibt das Negative?

Wo bleibt die Verneinung
der beschämenden Verhältnisse?
Wo bleibt der Widerstand
gegen die verordnete Zukunft?
Wo bleibt die Verachtung
für das lähmende Geschwätz
von der Unvermeidbarkeit? 
Wo bleibt die fröhliche Wut,
die wilde Verweigerung
der Alternativlosigkeit?
Wo bleibst du? Und wo ich?

Montag, 4. März 2024

Apnoe

Ich schlafe mich zu Tode.
Jede Nacht bringt mich näher
dem letzten Atemzug.

Monstrum

Das Monstrum bin ich.
Mit Forken und Fackeln
kommen die Dörfler,
um mich zu jagen,
mich zu erschlagen. 
Das Monstrum bin ich,
völlig unschuldig,
doch unheimlich, weil
anderer Meinung.

Trotz

Mir doch egal, was die Leute reden.
ich weiß ja, wie es wirklich war.
Mir doch egal, wenn ich einsam sterbe,
die Wahrheit stirbt nicht mit mir.

Sonntag, 25. Februar 2024

Spezialeffekte

Tut mir leid, sagte Jesus,
dass ich dich langweile
mit meiner Bergpredigt
und meinem Liebesgebot
und meinem Tod am Kreuz
und meiner Auferstehung
und all den Wundern.
Du hättest dir mehr erwartet,
das ist völlig verständlich.
Du hast schon Besseres gesehn.
Etwas mit Drachen und Zwergen,
mit Zombies, Vampiren und mit
teleportierten Einhörnern.
Was könnte da mithalten?
Vielleicht ein schönes Geballer,
ein gnadenloses Abknallen
von Menschen und Monstren.
Mein Evangelium langweilt dich.
Es fehlt ihm an Äkschn, es braucht
eine bessere Grafik,
sagst du und wendest dich ab.
Tut mir leid, sagte Jesus,
dass ich real bin.

Donnerstag, 22. Februar 2024

Unerhört

Ich bin eine Zumutung,
das weiß ich selbst nur zu gut.
Besser als jeder andere.
Aber zugleich bin ich ein Glücksfall,
ein Geschenk an die Menschen.
Wer es fassen kann, fasse es.

Latrinentheologie

Man darf dem lieben Gott
durchaus auch einmal danken
für einen geregelten Stuhlgang.
Das macht dem gar nichts aus.
Der hat schon alles gesehn.

Dienstag, 20. Februar 2024

Bis später

Es ist fünf vor zwölf.
Es ist fünf nach zwölf.
Es ist eins, zwei, drei.
Und um fünf Uhr verlässt
die Marquise ihr Haus.
Gleich schlägt es dreizehn.
Und so weiter und so fort.
Irgendeine Zeit ist ja immer,
Bis es zu spät ist.
Bis zum Ende der Zeiten.
Und dann nie wieder.

Samstag, 10. Februar 2024

Frohnatur

Du hattest immer deinen Spaß,
wird man mir sagen können,
wir aber hatten nichts zu lachen.
Während du geistreich und albern warst,
lebten wir unsere Leben
in Elend und Dunkelheit.
Welchen Witz reiße ich dann?

Dienstag, 6. Februar 2024

Weltraumschrott

Verloren im Weltraum,
inmitten von Leere und Müll,
trudelt meine Hoffnung dahin.
Wer, wenn ich hören könnte,
riefe mich denn
hinter den Sternen hervor?
Ach, dieser Alptraum
ist ein schreckliches Missverständnis.
Und geht immer weiter.

Das Mütterchen mit den Krallen

Mein Böhmen ist ein Meer, auf seinem Grund liegt Prag. Ich schwimme weit hinaus und tauche tief ins Glück. Daheim ist alles dumpf. Fern weht...