Sonntag, 18. November 2018

Ahoj (1)

Auf dem Grunde des Häusermeers
wandert der Fremdling,
verirrt sich im Gewimmel der Gässchen,
um immer wieder zu finden,
wohin er will oder soll.

Ich lasse mich treiben.
Nachmittags Schwimmschule.
Und nach dem Besucherstrom
um sechs im Kaffeehaus.

Es liegen noch Juden
begraben. Im Park
spielen die Dohlen.
Dann kommt schon der Tag.

Freitag, 16. November 2018

Botschaft

Ihr wisst es vielleicht noch nicht, 
doch (auch ich weiß es noch nicht,
muss aber schon sagen)
alles wird gut. Am Ende
der Zeiten, wenn alles,
was nicht hätte sein sollen,
nicht gewesen sein wird,
wenn nichts mehr ist, wie es nie
gewesen sein hätte dürfen,
ist alles gut. (Das weiß ich.)

Montag, 12. November 2018

Down in Flanders

Drunten in Flandern fällt
Schnee auf ein Gräberfeld.
Was dort noch übrig ist,
Menschenrest, friert nicht mehr.

Samstag, 27. Oktober 2018

Ahoj (2)

Unter allem Pflaster ist Strand, überall 
queren Wassermänner die Straßen, lächelnd,
die Seelen in Töpfchen. Großmütterchen Prag,
erzähle wieder die alten Geschichten
von Mord und Totschlag, Aufstand und Unterdrückung
und vom Schweigen der Knechte. Erzähle mir
von Kaffeehäusern, Friedhöfen und Exil.
Deine Geschichten sind meine Geschichten,
und zu deinen Geschichten, du Uralte,
Tränenreiche, gehöre letztlich auch ich.

Donnerstag, 14. Juni 2018

Drei kleine Wörter

Man sollte sie, sagtest du einmal,
niemals sagen oder so oft,
dass sie dann nichts mehr bedeuten.
Zu mir hast du sie einmal gesagt.

Sonntag, 1. April 2018

Ad Tiberim (IX)

Hier nun, nur hier
endlich zu Hause,
unter den vielen
auch einer, glücklich
mit dem Gewesenen,
für gewöhnlich
höflich zum Heute.
Endlich angekommen,
hier, heute, für immer.

Dienstag, 27. März 2018

Normen und Werte

Richtschnur an Richtschnur
stolpert der Mensch
marionettengleich
über die Bühne des Lebens.


Nichts gilt ihm
mehr als er selbst
und wofür er sich hält.

Rasche Ansicht

Sinnlose Türme
stemmen die Himmel
weg von den Menschen.

Strömend durch Schluchten,
aufwärts und abwärts,
löst sich die Masse
auf in die Dinge.

Einsam kann keiner
mehr sein als jeder
Großstadtbewohner.

Mittwoch, 14. März 2018

Unverwandt

Schlecht aufgehoben unter den Menschen,
nur widerruflich geduldet, mehr schlecht
als recht Unangepasstes verbergend,
Ungehöriges, mein Ein und Alles,
mit dem Schrecklichen rechnend, unverzagt
hoffend, hoffnungslos liebend, ein Träumer,
verweile ich weiterhin unweigerlich
unter den Menschen.

Sonntag, 25. Februar 2018

Ad Tiberim (VIII)

Unsere Stadt war immer schon
verschieden von unserer Stadt.
Immer schon erzählten die Späteren
das Frühere um. Immer schon gingen
wir dabei den Dingen verloren.

Samstag, 24. Februar 2018

Ich weiß (2)

Was weiß denn ich,
was ich wissen müsste, 
um nicht mehr wissen zu müssen
als das Notwendige.

Donnerstag, 22. Februar 2018

Revolutionärer Wunsch

Geschwind an die Wand gestellt,
diesen und jenen, das wäre schön,
das machte die Luft rein und
überspielte die eigene Bosheit.

Ich weiß (1)

Was weiß ich schon, 
was nicht auch andere wüssten,
oft sogar besser?
Was weiß ich schon,
was abzuhelfen vermöchte
den Übeln der Welt?
Was weiß ich schon,
was mir Gewissheit verschaffte
statt weiterer Fragen?
Was weiß ich schon,
was aufzuschreiben sich lohnte,
zumal in Versform?

Mittwoch, 31. Januar 2018

Ad Tiberim (VII)

Andere Rassen, braunere,
begreifen das Ewige
als ihre Heimat. Statt
abzureisen, wohnen sie
vor aller Augen. Denkt sich so
der Gewöhnliche seinen Traum?
Meine Stadt ist anders.

Ad Tiberim (VI)

Heimwärts, nach Arkadien,
wankt das Bewusstsein. Ich
bliebe lieber hier,
wo alles verschwindet.

Ad Tiberim (V)

Pegelstand, Böschung
und die Farbe des Wassers.
Was bleibt, ist treulos.
An den Ruinen hängt 

meine Erinnerung nicht.

Ad Tiberim (IV)

Noch die kleinste Einzelheit
ließe sich beschreiben
von einem andern. Oder
erfinden von mir.

Ad Tiberim (III)

Nichts davon war schon da,
bevor es jetzt, vor meinen Augen,
geschieht und vergeht. Ich stehe da,
schaue und lasse es zu.

Ad Tiberim (II)

Zeitlos schwindet Geschichte,
schneller und schneller, der Strom
bezeugt nichts als sein Schwinden.

Ad Tiberim (I)

Auch andere spucken
in den Fluss, der mir lieb ist.
Er wird es verwinden.

Ein heißer Tag im April

Es riecht schon verzweifelt nach Sommer.  Die Vögel kreischen ums Überleben. Brünstig streben die Blumen zur Sonne. Alles blüht, als gäb'...