Samstag, 26. Juli 2025

Vorschlag zur Güte

Weißt du denn was Besseres?
Ich auch nicht. Lass uns also
miteinander ausharren
und das Ende erwarten.
Dann sehen wir weiter. 

Vergeistigt

Wehe dir, wenn du
Wort für Wort deiner Spur folgst
bis zur Mauer, der alten,
zerbröckelnden Mauer
dieses Lebens. Neuer Bewuchs
kündet so schön vom Ende.

Alte Jahrmarktsattraktion

Hau den Lukas,
zeig allen, wie stark du bist,
lass es bimmeln!
Aber warum eigentlich?
Den Lukas nicht zu hauen 
und es nicht bimmeln zu lassen,
wäre vielleicht eher ein Zeichen
innerer Stärke gewesen. 

Berufung

Nicht mit mir, das steht fest.
Aber ohne mich
geht es halt auch nicht,
das muss ich schon sagen. 

Mehr Stille

Bin eures Geschwätzes so müde
und  meines eigenen auch.
Mehr Stille, viel mehr Stille tut not,
um das Wort hören zu können,
das eine Wort, das befreit.

Sonntag, 13. Juli 2025

Gefährdete Entdeckung

Die Zwieselbeere ist auch so eine Sache.
Keiner soll sich dahinter verstecken.
Das geht nur mich etwas an.
Mein Schatz ist vergraben
in zerbröselnden Erinnerungen.
Und wenn das nicht genügen sollte,
kann ich immer noch Abschied nehmen
mittels gezielter Einbildung.
Dass mir da keiner hineinfällt!
Die Geschichten gehn weiter,
auch nach ihren Enden,
ihren schrecklichen, schrecklichen,
alles überwuchernden Enden.

Mittwoch, 9. Juli 2025

Gluthitze

Was war, schmilzt weg.
Was bleibt, verdorrt.
Was soll nur werden
aus dieser sinnlos verschwitzten
Sommerwelt?

Eigene Sorgen

Ich habe andere Sorgen
als die Sorgen der anderen.
Wer kann sich schon um alles kümmern.
Ich sicher nicht. Aber siehe da,
es hängt alles zusammen.
Was nicht stimmt mit der Welt
und nicht stimmt mit mir in ihr,
das hat alles damit tun,
was andre tun und lassen.
Gutes, das einen freut.
Schlechtes, das einen bekümmert.
Unsicheres, das einem droht.
Dummes, das einen ärgert.
Hässliches, das verstimmt.
All dieses Zeug halt.
Meine eigenen Sorgen
machen mir also die andern.
Da muss sich was ändern.
Dafür muss ich sorgen.
Das ist schon mal sicher.

Montag, 30. Juni 2025

Hetzrede

Das ist ja Meuterei.
Das gefällt mir. 
Das begrüße ich
aus ganzem Herzen. 
Ihr macht es richtig.
Lass euch nichts mehr gefallen,
wehrt euch, steht ein
für eure Rechte
und die Rechte aller,
verteidigt eure Würde,
verlangt eure Freiheit
und nehmt sie euch. 
Freiheit, Gerechtigkeit, 
Würde und Wohlergehen
für jeden einzelnen bedeutet
Freiheit, Gerechtigkeit, 
Würde und Wohlergehen
für alle. Ein gutes Ziel.
Werdet nicht selbst Unterdrücker,
lasst das Befehlen hinter euch
und das blinde Gehorchen.
Entscheidet euch selbstbestimmt
und gemeinsam für das Richtige
und haltet euch daran.
Arbeitet zusammen und füreinander.
Ihr könnt das.
Ihr könnt, was ihr wollt. 
Und was ihr nicht könnt,
könnt ihr voneinander lernen.
Der erste Schritt ist getan.
Ihr habt nein gesagt.
Jetzt gibt es kein Zurück mehr.
Jetzt müsst ihr ja sagen
zu einem besseren Leben.

Grund

Dass ich existiere,
kommt mir merkwürdig vor. 
Ich kapiere einfach nicht,
was das eigentlich soll.

Theseus verlässt das Labyrinth

Ich krieg da was zu fassen
und zieh einfach mal dran.
Es erweist sich als Faden. 
Ich wickle, wickle und wickle
den auf, bis schließlich
ein Knäuel herauskommt
und ich draußen bin.
Was für ein Held. 

Poesia povera

Kein Wort mehr
als unbedingt nötig, 
um nichts zu sagen
als das Wesentliche.

Poésie pure

Wisch die Metaphern weg,
all den anderen Dreck, 
den man dir einreden will
als Schönheit.

Sonntag, 29. Juni 2025

Zarte Gebilde 
aus Sonnenglast
oder Zikadenlärm
oder dem Duft reifen Korns
zerbersten an Grillanzündern 
und Tanzgedudel. 

Probleme eines Besserwissers

Auch dafür gibt es eine Lösung.
Aber sie wird euch nicht gefallen.
Ihr müsstet eure Leben ändern,
und das wolllt ihr nicht. Das ist mir klar.
Das ist ja überhaupt das Problem,
dass ich so viele Lösung weiß
für so viele Probleme, aber
ihr sie nicht wahrhaben wollt.
Darum steht es so schlecht um die Welt.
Hörte hingegen jeder auf mich,
wären alle Probleme gelöst.
Ihr lacht und schüttelt eure Köpfe,
aber so ist es nun einmal doch. 

Samstag, 28. Juni 2025

Wie vom Meer her
ein ferner Sommer dröhnt, 
so brütet die Sonne
unerbittlich auf allem
jenseits der Schatten. 
Sogar eine Pinie
ragt einfach ins Blau
unbeschwerteren Himmels.
Wenngleich du Zypresse sagst,
ist die Welt nicht gerettet. 
Oder doch. Aber anders,
als du dir vorstellen kannst.

Freitag, 27. Juni 2025

Tieferes Verständnis

Nicht der Krug,
welcher auch immer,
geht zum Brunnen, sondern
ein Mensch trägt ihn hin,
bis vielleicht irgendwann
der Krug zerbricht. 
Hör auf den Wind
und hör auf, den Wind
nicht zu hören. 
Die Luft an den Dingen:
ein ständiges Ringen
nach Luft. 
Und doch zerbirst
daran nichts, an dem
fast Unmerklichen,
das ich nennen kann,
wie ich will.

Ermahnung

Hör endlich auf mit dem Quatsch,
dich zum Opfer zu stilisieren,
das von bösen Mächten verfolgt wird.
Nichts davon stimmt.
Keiner ist hinter dir her,
keiner bedroht dich.
Dazu bist du nicht wichtig genug.
Keiner sperrt dich weg,
keiner foltert dich,
keiner befiehlt deine Erschießung
oder will dich ans Kreuz nageln.
Warum erzählst du solche Sachen?
Was versprichst du dir davon?
Geilst du dich an dem Unglück auf,
das dir nie widerfahren ist?
Dir geht es gut, gib’s doch zu,
du stellst dir das alles nur vor,
um dich wichtig zu machen.
Keiner will das lesen,
keiner glaubt dir das,
du bist ganz allein mit dem Quatsch.
Hör bloß auf damit. Du Opfer.

Ein Unbrauchbarer

Unpassend, immer schon gewesen,
irgendwie unangepasst,
nicht dazugehörig, schwierig,
nicht einzugliedern in das, was sein muss,
untauglich fürs Gewöhnliche,
sozusagen unberechenbar,
keiner, auf den man zählen kann,
wenn’s um Erwartbare geht,
zuverlässig unzuverlässig
in Sachen Normalität,
unangenehm erfinderisch
bei allem, was querliegt,
unverständlich, könnte man sagen,
geradezu abwegig,
verbohrt ins Rechthaben müssen,
verrannt ins Andersseinwollen.
keiner, auf den man hören will,
keiner, der einem schmeichelt,
ein Lästiger, Befremdlicher,
allzu Herausfordernder,
ein Unbrauchbarer, gewiss,
aber andererseits bitter nötig,
wenn sich irgendwas ändern soll
zum Bessren, sonst eher entbehrlich.

Mittwoch, 25. Juni 2025

Wehrlos

Die Wörter zögern nicht,
mich zu überfallen.
Sie treiben ihr Spiel mit mir. 
Ich habe sie nicht eigeladen,
sich machen sich einfach breit.
Oft verstehe ich nicht,
was sie von mir wollen. 
Ich versuche, Ruhe zu bewahren
und möglichst nichts zu tun, 
was sie verärgern könnte.
Sollen sie ihr Ding machen.
Man wird sehn. Vielleicht 
kommt ja dabei etwas heraus, 
was auch mir nützt. 

Mein Wort für euch

Macht mich fertig, lasst nichts aus,
zerschlagt mir die Glieder,
lasst mein Blut nur spritzen,
ganz wie es euch gefällt. 
Ich habe es mehr als verdient,
das weiß doch jeder. 
Unwürdig eures Mitleids,
Gegenstand eurer Verachtung,
keiner von euch, kaum noch ein Mensch,
ein Verräter von allem, was euch heilig ist,
muss ich endlich bezahlen
für meine Verbrechen.
Also schafft mich ab,
tilgt die Erinnerung an mich,
löscht meine Taten aus,
als wäre so die Gefahr
ein für alle Mal gebannt,
die mein Wort für euch ist.

Dienstag, 24. Juni 2025

Gut gemeinter Rat

Lasst mich nicht sofort draufgehn,
zögert es noch etwas hinaus
und genießt es. Quält mich,
demütigt mich vor mir selbst,
weidet euch an meinen Schmerzen,
und meiner Würdelosigkeit.
Lasst mich um mein Leben betteln
und dann um einen raschen Tod.
Ruiniert nicht die Situation 
durch Ungeduld oder Mitleid.
Macht euch eine gute Zeit mit mir. 
Ihr habt nur diese eine Chance,
mich sterben zu lassen,
verschwendet sie nicht.

Montag, 23. Juni 2025

Schatz

Die großen Worte zu wechseln
in gängige Münze,
ist nicht mein Geschäft.
Ich zahle vielmehr
allen meinen Schuldigern
in gleicher Münze heim,
scheue den Bankrott nicht
und präge nur selten
ein falsches Wort. 

Stand der Dinge (Litanei)

Die Dummheit triumphiert über die Klugheit.
Die Bosheit triumphiert über die Güte.
Der Irrsinn triumphiert über die Vernunft.
Der Krieg triumphiert über den Frieden.
Das Unrecht triumphiert über das Recht.
Die Gier triumphiert über die Verantwortung.
Die Angst triumphiert über die Fürsorge.
Das Leid triumphiert über die Freude.
Die Trauer triumphiert über das Glück.
Die Gleichgültigkeit triumphiert über die Solidarität.
Der Hochmut triumphiert über die Demut.
De Herrschsucht triumphiert über die Freiheitsliebe.
Die Lüge triumphiert über die Wahrheit.
Der Tod triumphiert über das Leben.
Der Wahn triumphiert über die Wirklichkeit.
Das Gegeneinander triumphiert über das Miteinander.
Der Egoismus triumphiert über den Gemeinsinn.
Die Geilheit triumphiert über die Würde.
Das Minderwertige triumphiert über über das Schöpferische.
Und was ist mit mir, was vermag all das,
was nicht nicht sein soll, über mich?
Zuweilen triumphiert meine Verzweiflung
über meine Zuversicht. Aber,
und es gibt ein Aber, ich glaube:
die Chöre der Engel triumphieren
über das Heer der heulenden Teufel.
Und das Ende wird von Ewigkeit her
triumphiert haben über den Schrecken.

Dienstag, 10. Juni 2025

Bezichtigung

Gebt zu, dass ich ein Schädling bin,
einer, den man zertreten muss
mit dem Stiefelabsatz.
Ein Saboteur, ein Klassenfeind,
ein Volksverräter, ein Spion,
ein Agent feindlicher Mächte.
Dekadent und verdorben,
verfault bis ins Mark hinein.
Ein Schwätzer, ein Spinner,
ein gefährlicher Narr,
ein notorisches Lügenmaul,
ein Hochstapler, Hütchenspieler,
Gesundbeter, Beutelschneider,  
schamloser Brunnenvergifter
Einer, dem man nicht trauen darf,
bei dem keine Hoffnung besteht
auf Besserung. Herausschneiden
muss man den aus dem Volkskörper,
ausmerzen für alle Zeit.
Gebt zu, dass ich so einer bin,
und macht endlich Schluss mit mir,
ihr gottverdammten Menschenschinder,
die der Teufel holen soll. Mehr
ist dazu nicht zu sagen.

Ein Menschheitsbeglücker

Manchmal muss man die Leute
eben zu ihrem Glück zwingen.
Das geschieht ja dann schließlich
nur zu ihrem Besten.
Sie würden selber wollen,
wozu sie verpflichtet sind, 
wenn sie nur nicht so stur wären
und so schrecklich verdorben.
Aber zum Glück gibt es ja
mich, der ich besser weiß,
was für jeden sein Glück ist.

Augurisches

Die Gedanken schwärmen aus
und kehren nicht wieder heim.
Was zurückkomt, sind andre,
völlig fremde Gedanken. 
So soll es sein. Je weniger
man im Voraus schon weiß,
was man gedacht haben wird,
desto aufregender ist,
wer wüsste das nicht, das Leben. 

Montag, 9. Juni 2025

Monströs

Immer schon war ich anders als ihr,
ein Monstrum. Etwas, auf das man
mit den Fingern zeigt und lacht,
weil es so schrecklich anders ist.
Mit mir musste man nicht reden,
mir hatte man nichts zu sagen,
und wenn ich sprach, war man erstaunt,
wie wunderschön das klang, so schön,
dass man dringend weghören musste.
So ist das geblieben. Immer noch
bin ich hässlich und unsichtbar,
seltsam unhörbar, wenn ich rede,
obwohl ich doch, wie jedermann weiß,
nichts zu sagen habe. 

Sonntag, 8. Juni 2025

Vom Laster gefallen

Man denkt sich nichts Böses,
man liest vielleicht irgendwas
oder hört gerade Musik
oder schaut bloß in die Luft,
und zack, ist ein Vers da,
einfach so, aus dem Hinterhalt
des Unterbewusstseins. 
Wo vorher keiner war,
ist jetzt einer und geht
nicht mehr weg, ist gekommen,
um zu bleiben, und will
andere nachziehen. Wie bitte?
Das wird ja immer schöner.
Wie soll man sich da wehren?
Das purzelt herbei,
das drängt sich dazu,
das zwängt sich herein,
das will untergebracht sein,
wie auch immer, was nicht passt,
wird passend gemacht.
Und wenn es dann reicht,
schreit einer: Fertig!
Das muss keineswegs stimmen.
Aber was soll man machen?
Am Ende ist es halt doch
immer irgendwie ein Gedicht. 

Gott mit Soße

Sie haben Gott eingefroren
und für später aufgehoben. 
Kann man ja immer mal brauchen.
Etwa, wenn Gäste kommen,
unerwartet, dann hat man was da,
was praktisch schon fertig ist.
Man braucht nur noch Beilagen,
Bratkartoffeln vielleicht oder Reis
oder Nudeln, Nudeln gehn schnell,
die hat man auch immer zu Hause. 

Freitag, 6. Juni 2025

Kleiner Grenzverkehr

Die sogenannten Verse
passieren der Reihe nach,
hübsch einer nach dem andern
treten sie vor, gehn weiter,
manche hasten vorüber
wie zu Paaren getrieben,
oder in ganzen Trauben
drängen sie heran, kommen
in wilden Rudeln sogar,
immer aber jedenfalls
geschehen sie mir, also
lass ich sie durch, warum nicht,
ich kontrolliere sie kaum,
was soll schon passieren,
schlimmstenfalls doch nur ein Gedicht. 

Donnerstag, 5. Juni 2025

Und siehe da

Keineswegs so großartig,
wie er immer gerne
hätte glauben wollen,
vielmehr erbärmlich,
so lächerlich erbärmlich,
wie er es immer schon
hatte befürchten müssen.

Mittwoch, 4. Juni 2025

Abgefertigt

Aber gewiss doch,
ich mache es mir gerne leicht,
ich nehme, was kommt,
wie es kommt, und mache
daran so wenig wie möglich,
nur gerade so viel,
dass ich sagen kann:
So, das war’s, das ist jetzt
mein Gedicht, mehr gibt’s nicht.

Altklug

Manchmal denke ich mir:
Jetzt rede ich fast schon
wie ein Erwachsener.
Dabei bin ich doch erst
neunundfünfzig. 

Montag, 2. Juni 2025

Überdrüssig

Was soll man dazu noch sagen?
Der schreibt und schreibt und schreibt
und kann sich nicht einbremsen 
und nennt es Gedichte.
Aber was soll's. Liest eh keiner.

Weiterleben

Du lebst dein Leben weiter
ohne mich. Sehr gut sogar.
Davon gehe ich aus.
Ich aber, ohne dich,
bin erheblich beschädigt.
Für den Rest meines Lebens
fehlt mir das Glück deiner Nähe
und der wahnsinnige Wunsch,
du könntest glücklich sein wollen
mit mir. Nein, der nicht. Der bleibt. 

Prosagedicht

Was das ist, wäre schon schwer zu sagen, wenn es denn existierte, so aber, wenn es das gar nicht gibt, wofür manches spricht, kann man auf sich beruhen lassen, was es wäre oder zu sein hätte. Ein Ding der Unmöglichkeit. Mehr nicht.

Vorderste Front

Heute war noch nie.
Und schon ist es wieder
ein bisschen später.
Die Zeit läuft davon.
Jedem. Immer. Aber
irgendwann nicht mehr. 

Samstag, 31. Mai 2025

Eigenheim

Die Baulücken klappen zu.
Die Luft wird dünner. Zum Atmen
bleibt nicht mehr viel Zeit.
Gewohnt werden muss ja.
Warum also nicht auch hier?
Folgerichtig wird das Her
mit dem Hin abgeglichen.
Man braucht halt ein Fahrzeug. 
Die Bausünden der Väter
bauschen die Mütter zügig
mit schwerem Gerät auf.
Jetzt wird an die Wand gefahren.
Bäume werden sowieso überschätzt.
Ein Haus geht noch. 
Den Planeten retten oder so Zeug
sollen die Übernächsten.
Wir aber bauen und basta.

Donnerstag, 29. Mai 2025

Ideal

Er gab nicht auf.
Er wollte daran glauben,
das Gute müsse gewinnen.
Irgendwann. Und sei’s erst zuletzt.
Dann aber für immer.
Darin war er unbelehrbar.
Tatsachen galten ihm wenig.
Er zog das Mögliche vor.
Alle seine Hoffnungen scheiterten,
aber das hinderte ihn nicht daran,
weiterzumachen und sich einzusetzen
für Freiheit, Gerechtigkeit, Würde
und Wohlergehen jedes Einzelnen.
So einer wäre ich gern.

Mittwoch, 28. Mai 2025

Übers Sein

Wo ist da nichts? Überall
ist doch fast schon zu viel,
jedenfalls immer alles.
 
Was nicht ist, kann noch werden.
Was war, ist noch dabei,
gewesen zu sein. Also?
 
Man muss ja leider sagen:
Alles ist, wie es ist,
aber nicht so, wie es sein soll.
 
Da gibt es noch viel zu tun.
Bis am Ende alles
dann gut gewesen sein wird.

Passiönchen

Es wäre wohl übertrieben,
wenn ich sagte, dass mein Gedicht
mich auspeitscht und kreuzigt.
Aber es stellt mich zur Schau
in meinen peinlichsten Momenten.
Das ist auch nicht immer schön.

Lyrisches Subjekt

Er hatte durchaus versucht,
„er“ zu schreiben statt „ich“.
Aber das hörte sich falsch
für ihn an. Also habe ich
das wieder sein lassen.
Ich verstehe dich nicht.
Und weiß, dass es so sein muss.
Zwischen uns darf es nichts
Gewöhnliches geben.

Nachgelassenes Gedicht

Meine Meinung interessiert
hier keinen. Darum schreibe ich
sie auf, damit ich wenigstens
später irgendwann vielleicht doch 
damit Recht gehabt haben kann,
wenn es mir nichts mehr nützen wird.

Dienstag, 27. Mai 2025

Monstrostitätchen

Das Ungeheuer fiel
zufällig in die Falle,
worin ungeheuer viel
schon vorbereitet war.

Zwischenaufenthalt

Und nehme mir vor,
beinahe täglich,
jedenfalls sehr oft,
mein Leben zu ändern.
Was daraus wohl
geworden sein mag?

Montag, 26. Mai 2025

Programmatischer Unterschied

Manche, so lese ich,
wollen im Gedicht 
die Wirklichkeit zur Sprache bringen.
Andern, mir zum Beispiel,
genügt es, wenn sie
die Sprache zur Wirklichket bringen. 

Freitag, 23. Mai 2025

Theologoumenon

Der liebe Gott hockt in seinem Versteck
und schaut zu und greift ein oder auch nicht,
wie’s ihm beliebt. Den Leuten passt das nicht.
Sie wollen, dass er gefälligst antanzt
und ihnen all ihre Wünsche erfüllt.
Aber Pusteblume. Kannste knicken.
Gott macht, was er will, und wirklich nur das.

Donnerstag, 22. Mai 2025

Trauergäste

Sie huschen von Grab zu Grab
mit bedenklichen Mienen,
ein freudloses Völkchen,
geziemend verdunkelt.
 
Immer wieder wird der eine
oder andere beerdigt
und betrauert, mal mehr,
mal weniger, und irgendwann
wohl auch vergessen. 

Heute ist man selbst noch nicht dran,
aber man darf nicht so grinsen,
wie es einem zumute wäre.

Montag, 19. Mai 2025

Habenichts

Ich mache mir keine Sorgen.
Die machen mir andere.
Und das zur Genüge.

Ich hingegen möchte gern
einfach nur in Ruhe gelassen werden,
um schließlich so zu verenden,
wie es mir zukommt. 

Das ist auch keine Lösung,
das gebe ich zu, aber doch
fast so etwas wie Freiheit.

Der unsagbar Fremde,
der immer schon nebenan
in meinem Herzen wohnt,
braucht nichts mehr zu sagen.
Es ist alles gesagt
zwischen uns. Mehr
muss niemand wissen.

Freitag, 16. Mai 2025

Donnerstag, 15. Mai 2025

Zergliederung

Ein Wort wie Krug
passt immer noch zum Brunnen
und ginge doch zu Bruch
an harter Kante,
wenn du nur willst.

Wörter zu Pflugscharen (1)

Mach dich vom Acker, Freundchen.
Schachtelhalme schächten schichtweise
grausig grummelnde Grottenolme.
Wie bunt muss es noch werden,
damit dir die Farben ausgehn?
Hinter den Wäldern lauert der Sinn.
Das Zaumzeug verzögert den Zugzwang.
Jetzt ist die Stunde, in der wir
Prügel beziehen, ohne Versand-
kostenanteil. Das wäre ja gelacht.
Und dauert schon zu lange.
Auch die vierzehn Nothelfer
kriegen den dicken Eierkopf
nicht zurück auf die Mauer.
Also lernen wir um. Ab jetzt
können wir Kontrabass spielen.
Du weißt schon. Im Schwarzlicht.
Gerade das erledigt sich von selbst.
Ich sage nicht Fisch und nicht Fleisch.
Du sagst Hirnhautentzündung.
Am Ende sticht der Hafer
niemals das richtige Kind.

Autorensorgen

Ist, was ich schreibe, zu dünn?
Muss ich es aufplustern? Muss ich
die Schminke dicker auftragen?
Ist es überhaupt richtig
angezogen für diesen Anlass
oder irgendeinen anderen?
Was stimmt vielleicht noch nicht mit mir
wenn Kostüm und Maske stimmen?
Bin ich etwa zu verständlich?
Oder muss ich mich unklarer
ausdrücken? Muss ich merkbarer
andern nach dem Munde reden?
Damit sie ein bisschen so tun,
als sei auch ich beinahe wichtig,
weil ich fast schon wie sie bin.
Je weniger ich zu sagen habe,
desto mehr Erfolg werde ich haben,
wenn ich angemessen viel rede
und bedeutungsvoll schweige.
Bin ich überhaupt exklusiv genug?
Populär genug? Muss ich mich
besser verkaufen, verstecken,
rar machen, der Schnittlauch
auf allen Suppen sein? Und dann,
als ob diese ganze Scheiße
noch nicht mühsam genug wäre,
muss ich mich auch noch fragen:
Was zum Teufel soll ich schreiben?

Montag, 12. Mai 2025

Mutwillige Anstalten

Wer im Glashaus schwitzt,
braucht sich des Abends
nicht wirklich zu wundern,
wo der Hammer hängt 
oder wo Gott wohnt.
Wirf mit Beilagen um dich,
als gäbe es keine 
Zuverdienstgrenze.
Salat ist Salat ist Salat.
Das Gemüse tickt,
zick, zack, zick, zack,
aber vom Obst, ganz ehrlich,
ist nichts zu befürchten.
Es ist jetzt auch nicht die Zeit,
um kleinlich auf Brot zu bestehen,
auf Fische und Muscheln und Perlen.
Es gibt nichts wichtigeres
als den Vollmond. Oder
den Halbmond. Den Neumond.
Das ganze grässliche Getue 
am nächtlichen Himmel.
Das Haus brennt Löcher
in die freundliche Leere.
Die Nacktschnecken lachen 
sich scheckig. Aber das
bringt ihr Gewerbe so mit sich.

Samstag, 10. Mai 2025

Armer Poet

Lasst mich doch bitte
nicht immer so allein 
mit den Wörtern. Sie
drängen sich mir dann auf
und werden hinterrücks
zu so etwas wie, nun ja,
Gedichten. Und ihr,
ihr müsst sie dann lesen.
Das kann doch keiner wollen. 

Auftritt des Nörglers

Verzeihen Sie bitte nicht,
wenn ich störe. Denn es ist
meine volle Absicht. Nein,
beruhigen Sie sich nicht.
Ganz im Gegenteil, mein Herr,
werte Dame, über mich
sollten Sie sich aufregen.
Ihre Empörung wäre
durchaus mehr als berechtigt. 
Von mir haben Sie nämlich
nichts zu erwarten als nur
lauter Unannehmlichkeit. 
Ich bin eine Zumutung.
Ich sage, was ich denke,
und das wir Ihnen bestimmt
nicht gefallen. Denn dazu
sind Sie, bedenken Sie das,
doch viel zu kritikwürdig.

Invasiv

Das Denken ist landfremd.
Wo es vorkommt, wird es
geschätzt und vermessen
und in Listen erfasst.
Dann wird rasch festgelegt,
wie man es kleinkriegt.
Wie man es so einpfercht,
dass nur noch die Herde,
wie man es so einhegt,
dass nur noch das Glashaus
Frucht bringen kann. Alles
sei Zucht und Ordnung und
kontrollierter Anbau.

Spiegel

So ein Spiegel lügt immer.
Er zeigt nicht, was ist, sondern
nur ein Bild, ein verdrehtes.
Mag sein, man erkennt darin
dies oder das. Wem’s genügt!
Ich jedenfalls erkenne
mich in ihm überhaupt nicht.
Mein Bild ist ein anderes. 

Fenster

So ein Fenster ist nämlich
eine Vergewisserung,
dass es draußen noch Welt gibt. 
Dass das Drinnen ein Drinnen
in einem Draußen ist. Dass man,
wie auch immer davon getrennt,
unter Umständen vielleicht
sogar wieder hinaus kann.

Ästhetische Formel

Scheiß die Wand an, ist das schön!
So schrecklich schön, dass man
daran krepieren könnte.
Da gibt es keinen Abgrund,
in den sich zu stürzen,
und keinen Ozean,
in dem zu ersaufen.
keine Lösung wäre.
Ach, das ist Kunst. 

Sonntag, 4. Mai 2025

Verkehrsfunk

Immer neue Baustellen
pflastern den Lebensweg.
An Mängeln ist kein Mangel.
Bis zum Schluss endlich alles
zum Erliegen gekommen sein wird.
Dann himmelwärts abbiegen. 

Letztwillig

Restlos zerfetzt sein
will ich am Ende.
Kein mildes Sterben
darf meine ewiges
Leben behindern. 

Solidarität

Komm, Bruder,
so sollst du nicht leben
wie ein Hund,
wie ein  Schwein,
wie ein Affe,
wie eine Bazille.
Das sollst du nicht müssen.
Komm, Bruder,
lass uns leben wie Brüder. 

Poenix

Wehe, wo du willst,
Wind aus der Wüste.
Dein Gluthauch verbrenne
mein einsames Dasein. 

Gegenwart

Du bist das Licht,
das den Leib erwärmt. 
Man spürt auf der Haut
und im Herzen auch,
dass du da bist. 

Freitag, 2. Mai 2025

An einem ersten Mai

Von mir aus kann es das gewesen sein.
Mehr Sommer brauche ich nicht. 
Dieser eine Nachmittag hat genügt,
mich an alles Frühere zu erinnen,
an die Gerüche, an Hitze und Schatten
und an das Gelächter von Fremden,
die in irgendwelchen Gärten
ihren Spaß haben ohne mich.

Donnerstag, 1. Mai 2025

Kehraus

Er holte die Tassen aus dem Schrank,
die wenigen, die noch da waren,
und verfütterte sie an seinen Spieltrieb,
jenes rüstige Ungeheuer,
das schon in seinem Herzen gewohnt hatte,
als er noch jung gewesen war und gerne 
etwas zu sagen gehabt hätte. 
Die übrig gebliebenen Scherben
kehrte er auf und versteckte sie
in einer nachlassenden Poetik.
Ein häufiger Fehler. 
Ob man überhaupt von Versen sprechen kann, 
muss jeder selber wissen.
Der Schrank war jedenfalls leer,
und er stand bewundernd davor.
Als hätte er nie etwas anderes 
tun oder lassen wollen.
Was für ein komischer Kerl! 

Zirkus IV

Brot und Spiele möchten viele.
Spiele und Brot tarnen die Not.
 
Den Löwen zum Fraß,
der Masse zum Spaß. 

Macht uns lustig über euch.
Und wenn ihr dabei krepiert.
 
Wer nicht singt, der stinkt.
Wer nicht tanzt, reimt sich nicht.

Zirkus III

Lieber Sand im Getriebe
als am Ring in der Nase
durch die Manege geführt.
Sein. Werden. Dürfen. Müssen. 

Zirkus II

Ich bin hier nur der Clown.
Die gefährlichen Sachen
müssen andere machen. 

Zirkus I

Das fängt ja gut an.
Das geht hoffentlich
nicht so weiter. Und
wenn doch, dann lasst mich
raus aus der Nummer.

Kuhwalzer

Apfel, Zipfel, Zunftverdruss,
Flattern ist ein Hochgenuss,
wenn die Blüten sich verzweigen
und die Kimmen voller Geigen,
wie die Messer, aber besser,
buttergleich zum Korn sich neigen.
Pflaumenpflöcke müssen erben.
wenn die Scherben nicht verderben
sollen, Wollen sich verfärben
müssen, Erbsen Krebse küssen
und die Schnecken sich vertschüssen.
 
Bis die Ruhe wieder nagt
an den Gipfeln, unverzagt,
und mit ungewaschnen Händen
Knechte wieder Mägde schänden.
Sensen schleifen sacht am Boden
und die Sünder fragen: Wo denn?
Ratsch, da bricht die Brücke ab
und die Tugend sinkt ins Grab.
Ratsch, da bricht die Brücke durch
und die Kröte grüßt den Lurch. 

Mittwoch, 30. April 2025

Kinderkram

Ich sehne mich nach dir.
Ich weiß nicht, wer du bist.
Ich weiß nicht, wo du bist.
Ich weiß nicht, wie du aussiehst,
wie du riechst, wie du klingst.
Ich weiß nicht, was du denkst,
was du willst, was du tust.
Ich kenne deinen Namen nicht.
Ich weiß nicht, wo du wohnst.
Ich weiß nicht einmal.
ob es dich überhaupt gibt.
Aber ich sehne mich nach dir,
Ich weiß, ich könnte mich
auf der Stelle in dich verlieben,
wenn wir einander begegneten,
und würde sofort den Rest meines Lebens
mit dir verbringen wollen.
Du wärst nämlich der,
auf den ich immer gewartet hätte.
Ich weiß nicht, wie du das siehst,
Ich weiß nicht, ob du es wolltest.
Ich weiß schon gar nicht,
ob wir miteinander glücklich würden.
Das wird man dann schon sehen.
Entscheide du das. Mir ist es recht.
Ich will nur wollen, was du willst.
Ich weiß, man sagt das nicht,
aber ich brauche dich,
ich kann nicht leben ohne dich,
konnte es nie
und werde es niemals können.
Ich will darum daran glauben,
dass es dich gibt,
selbst wenn wir einander
niemals begegnen sollten.

Über Dichtkunst

Jedes Gedicht, finde ich,
ist einigermaßen lächerlich.
Da wird immer zu viel gesagt,
mehr, als irgendwer verantworten kann.
Und außerdem viel zu wenig.
Die Wirklichkeit bleibt ungerührt.
Als ob Gedichte keinen Unterschied
machten. Weil Wörter nie genügen,
auch wenn sie so schön Stoff und Gestalt
zusammenschmieden, dass es
eine Lust ist, dergleichen zu lesen.
Aber wer redet denn so? Niemand.
Also mach dir einfach mal klar,
dass nicht zu tun, was alle tun,
eine Bedingung von Kunst ist.
Sprache ist Wirklichkeit,
sie zu gestalten in bündiger Form,
ist Widerstand gegen Bestehendes
und, wenn es gut geht,
ein Akt der Revolution.

Montag, 28. April 2025

Beiläufiger Wahn VIII

Das hätte ich auch brauchen können.
Duino und dergleichen. Aber
bei mir hat es nur bis zum Vogeldreck
auf dem Balkon gereicht. Immerhin.
Andere haben gar nichts zu singen.
Die dürfen nur grunzen und so.
Und kein Sturm übertönt’s.

Beiläufiger Wahn VII

Das hat nichts zu bedeuten.
Das ist nur der Weltuntergang.
Darum kümmern wir uns später.
Wenn wir dann noch Lust dazu haben,
nach dem bösen Erwachen.

Beiläufiger Wahn VI

Verhackstückte Engel
sind ein prima Dünger
für die erstaunten Gesichter
der letztwillig Bespaßten.
Auch das Höllenfeuer
will schließlich erlebt werden. 
Das lässt sich machen.
Da gibt es nichts zu meckern.
Da kommt was bei rum.
Das wäre doch gelacht
in irgendein Fäustchen.

Beiläufiger Wahn V

Das Unerträgliche flutscht
nur so dahin. Kein Einwand
bremst. Hinterm Unsäglichen
werkeln die Zwerge munter
an der allgemeinen Verdammnis.

Beiläufiger Wahn IV

Anders ginge es gar nicht.
Anders ließe sich nicht sagen,
man habe es immerhin
nicht durchgehen lassen.
Anders wäre es nicht
meine eigene Schuld.

Beiläufiger Wahn III

Anschreiend gegen die Massen
verdunstet mein Wort mir
in der Hitze des Gefechts
noch vor dem Aufprall.
Sag nicht, das lohnt sich.

Beiläufiger Wahn II

Da ist nicht zu wollen.
Wie käme ich dazu,
ausgerechnet ich Wurm,
die Welt zu retten
anders als schweigend?

Beiläufiger Wahn I

Da ist nichts zu machen.
Die Leute himmeln den Scheißdreck an
und missachten ganz nebenher
alles Gute. So freilich
zerstörn sie die Welt.

Freitag, 25. April 2025

Vestibül

Wenn dort draußen in dem, was du Welt nennst,
die Sonne scheint und die Leute suchen
nach Butter und nach grobkörnigem Sand,
dann ist mir stets, als flögen beizeiten
Schrebergärten ums offene Feuer.
Ein jeder Hering ist schrecklich einsam.
Komm ins Zelt, wo der heilige Bär wohnt.
Mit Kuchen und Wein fliehen die Spiele
bis an die scheuen Ränder der Herde.
Mauer um Mauer zerstäubt, wie du weißt.
Schlingpflanzen drehen uns lange Nasen.
Nicht nur die Fahnen kitzeln die Winde.
Am Ende will es mal wieder keiner
gewesen sein. Auch du nicht. Während ich
das Gummi-Kreuz auf mich nehme zum Tanz. 

Eine Seekuh namens Carmen

Du bist das Löschpapier.
das Badesalz, eine Erinnerung
an schwierige Vorschläge.
Ein Duft weht herüber,
als hätten Engel gekotzt.
Palmenhaine strotzen von Licht.
Bleiben wir auf dem Teppich,
was soll aus uns werden,
wenn ich einmal nicht mehr bin.
Auch ich bin das Badesalz,
doch die Fichtennadel erreicht
nicht mehr das rettende Ufer.
Das Meer ist zu groß für uns beide.
Die Wüste schlingert und sinkt.
Da ist nichts mehr zu machen.
Komm bitte wieder nach Hause
oder wo du sonst hinwillst. 

À bientôt

Auf mich haben sie nicht gewartet,
leben ihre Leben ohne mich. 
Durchaus zu Recht. Sie kennen mich nicht
und werden mich nie kennenlernen.
Was soll’s. Bald schon kenne womöglich
auch ich mich nicht mehr. Das wird schön.

Donnerstag, 24. April 2025

Einem Enttäuschten

Hast du wirklich erwartet,
jemand werde dir sagen.
was der Sinn sei von allem?
Wer hätte dir je gesagt,
dass du das erwarten sollst?
Und ich bin sicher, mein Freund,
wenn dir jemand je sagte,
was der Sinn sei von allem,
wolltest du es nicht hören
und gingst darüber hinweg,
um weiterhin ungestört
darüber unzufrieden
sein zu können, dass niemand
dir je wirklich gesagt hat,
was der Sinn sei von allem.
Doch nur du selbst, wer denn sonst,
hättest dir sagen können,
dass ein sinnvolles Leben
eines für andere ist,
dass du dich überschreiten
und dich offenhalten musst
für den Sinn, der sich dir schenkt. 
Ändere dein Leben, doch
nicht zum Spaß, sondern ernsthaft
und endlich mit Leidenschaft.
Mehr, mein Freund, weiß auch ich nicht.

Mittwoch, 23. April 2025

Fragment über Natur

Alle Landschaft ist Dschungel,
Todeszone vielleicht,
jedenfalls leere Kilometer.
Ob Gestrüpp oder Steppe,
Wald oder Strand oder Park,
alles ist Einöde. Geistlos,
bevölkert vom Wahn,
vom Herumirren Sinnloser,
ein Schauplatz des Schreckens,
der gar nicht mehr bemerkt wird,
ein geiles Begatten und wirres
Wuchern, enthemmtes Blühn,
ein Strotzen von Fruchtbarkeit,
ein Prahlen mit Früchten.
Und immer wieder der Tod.
Fressen und Gefressenwerden.
Alles krepiert. Wird verdaut
und ausgekackt oder zerfällt
unbetrauert zu Staub.

Eine kleine Mondnacht

Der Mond schlägt voll zu Buche.
Die Sternlein, auf der Suche
nach ihrem Platz, stehn rum
und wirken ziemlich dumm.
Die Nacht, die blöde Kuh,
schaut dabei einfach zu.
Der Mond pisst Silberschein
jetzt in den Garten rein.
Die Blümlein seufzen: Ah!
Der Rasen liegt bloß da.
Der Wald hat nichts zu sagen.
Mir schlägt das auf den Magen.
Ich zieh den Vorhang zu
und lege mich zur Ruh. 

Dienstag, 22. April 2025

Lenz

Der Frühling übertreibt es
mal wieder. Wie jedes Jahr. 
Aber keiner beschwert sich
außer mir. Ach wär doch nur
schon sehr bald wieder Herbst.

Aufklärung

Ich spreche niemandem aus der Seele,
ich rede den Geist derer an,
die verständig genug sein sollten,
hinter die Bilder zu schaun
und die Maschinerien zu entdecken,
die Körper und Seelen am Laufen halten.

Samstag, 19. April 2025

Ars vivendi

Er tänzelte über dem Abgrund
und hatte dabei sein Seil vergessen.
Das freilich bemerkte er erst,
als er schließlich zu Tode stürzte. 
Aber ein großer Künstler war er doch.

Zurückweisung

Was wollt ihr von mir?
Von euch will ich nur,
dass ihr euch ändert. 
Hört doch bitte endlich auf,
Unterworfene zu sein
und auch mich immer wieder
unterwerfen zu wollen
unter euren Wahn, eure Ängste,
eure unerbittliche
Normalität. 

Freitag, 18. April 2025

Scham

Lösch alles aus.
Sei nicht mehr, der du bist.
Geh einfach fort und 
denk nicht mehr zurück.

Mittwoch, 16. April 2025

Caliban

Ich hasse mich.
Ich hasse dich.
Ich hasse die ganze Welt. 
Aber als Kunstfigur
bin ich schön.

Resignation und Aufbegehren

Auch das wird scheitern. Wie schon so vieles
in meinem Leben gescheitert ist.
Damit habe ich mich abgefunden.
Oder ich tue jedenfalls so.
Aber vielleicht bin ja nicht ich es,
der versagt hat, sondern es haben
vielmehr meine Zeitgenossen versagt,
indem sie aus mir nicht den machten,
der ich sein hätte sollen. Das könnte
doch  sein, oder? Aber das ist jetzt
auch schon egal. Gescheitert muss werden,
ob aus eigener Kraft oder doch
durch das Versagen der andern. Ans Werk! 

Kleine Apokalypse

Das wäre ja noch schöner,
wenn alles gut werden würde.
Aber so wird es kommen.
Nur dass bis dahin alles
leider immer schlimmer
werden wird. Noch schlimmer. 

Dienstag, 15. April 2025

Lehrgedicht (Vom Ereignis)

Da geschieht etwas,
nenne es Welt, wenn du willst,
oder Natur, wenn es sein muss,
den Kosmus, das Sein und
die Wirklichkeit oder dergleichen,
aber niemals werde ich zugeben,
dass das Ganze das Einzelne macht,
vielmehr ergeben die vielen,
die vielen verschiedenen
Seienden, die sich ereignen,
die vielen verschiedenen 
Verhältnisse, die Zusammenhänge,
in denen sie stattfinden.
Was geschieht, sind die vielen
verschiedenen Einzelheiten,
und das Eine Große Ganze
ist nur ein Teil davon,
eine Deutung, eine Benennung,
die so oder so zu sein pflegt,
aber man könnte, das steht fest,
auch ganz anders darüber reden. 

Dementi

Ich muss doch sehr bitten
um euer Misstraun.
Keinesfalls dürft ihr mir
auch nur ein Wort glauben.
Dass ich Recht hätte,
kann gar nicht sein, sonst
wärt ihr ja im Unrecht
und müsstet womöglich
eure Leben ändern.
Das darf nicht wahr sein.
Und darum: Vergesst es.
Ich will nichts gesagt haben.
Und was ich gesagt habe,
ist ohne Bedeutung.
So ist es, so war es
und dabei bleibt es.

Ausreden lassen

An sich selbst zu leiden
ist ein Luxus für Schwache,
die sich großtun damit,
Opfer des Zufalls zu sein,
den sie notwendig haben,
um nicht selbst schuld zu sein
am verpfuschten Leben,
das sie anderen antun. 

Samstag, 12. April 2025

Dies irae, dies illa

Das jüngste Gericht ist das älteste.
Sein Urteil steht seit jeher schon fest.
Gutes den Guten, Schlechtes den Schlechten.
Wir müssen uns nur noch entscheiden,
was am Ende auf uns zutreffen soll.

Freitag, 11. April 2025

Schnuppe

Früher fielen die Sterne
vom Himmel. Heutzutage
ist ja aber bekanntlich
alles besser als früher.

Ein Dichter

Wovon er spricht, weiß man nicht.
Er redet über so vieles,
vielleicht hat er gar nichts zu sagen. 
Aber seine Sätze verwickeln sich,
als müsse große Bedeutung
von ihnen gebändigt werden.
Wenn man nicht aufpasst,
fliegen einem die Wörter
um die Ohren. Oder sie 
stellen sich brav in die Reihe,
bis dann der Reim dran ist. 
Darin ist er sehr gut. Auch Hebung
und Senkung beherrscht er.
Und im Zeilensprung
macht ihm keiner was vor.
Seine Verse werden bleiben.
Sie sind schon geblieben,
weil sie zu keiner Zeit
an irgendeiner Wirklichkeit
sich messen lassen mussten.

Vorschlag zur Güte

Weißt du denn was Besseres? Ich auch nicht. Lass uns also miteinander ausharren und das Ende erwarten. Dann sehen wir weiter.