Dienstag, 25. Juni 2024

Fossil

Übrigens bin ich ein Dinosaurier.
Also praktisch schon ausgestorben.
Ich zögre es nur noch hinaus,
mich auch theoretisch aufzugeben.

Freitag, 21. Juni 2024

Es grünt

Dass in den Blumenkisten auf meinem Balkon
keine Blumen wachsen, nur Grünzeug, nichts Buntes,
das das Herz erfreut, sondern Grünzeug 
und immer nur Grünzeug, ist wie ein Gleichnis.

Donnerstag, 20. Juni 2024

Fahle Skzizze

Gelbgrauer Himmel, 
darunter die Menschen
auf freudloses Bahnen dahinziehn.
Blass ihre Wälder und blass ihre Wiesen,
blass ihre Flüsse und Felder,
grell und verstaubt ihre Städte.
Alles so blass. Wie gechlort.
Alles so billig zu haben und so
teuer erkauft mit dem Elend,
mit dem farblosen, freudlosen
Elend der Welt.

Mittwoch, 19. Juni 2024

Zelle

Blind betete er
wie gegen eine nackte Wand.
Er verlangte kein Zeichen
als das Zeichen des Jonas.
Das Wort und die Leere
allein sollten genügen.

Ruhmsucht

Nennt mich einen Dummkopf,
aber nennt mich. Verschweigt mich nicht.
Genannt werde mein Name
unter anderen, wie auch ich
immer meinen Namen nenne,
bis man ihn kennt. Nennt mich,
wie ihr wollt, aber nennt mich.

Nachts

Und in den Bäumen
sitzen die Wölfe,
singen so zärtliche Lieder.
Weiß glänzt im Mondlicht ihr Fell.
Schlafen sie, hüten sie 
in ihrem hungrigen Blut
wilde, verwegene Träume von
Jagd und gemeinsamem Mahl.

Revolution

Du weißt es. Ich weiß es.
Viele wissen es schon.
Kaum einer tut etwas.
Die meisten schaun weg.
Wie es ist, soll es nicht sein,
wie es sein soll, ist es nicht.
Das muss sich ändern.

Kleines Bild

Auf der Lichtung steht der Hirsch
und röhrt. Wer ihn hört, 
dem geschieht’s (oder nicht), 
dass ihn ankommt mit Macht
des Waldes Urgewalt,
gegen die er nicht ankommt.
Schweigen. Der Rest wird sich zeigen. 

Freitag, 14. Juni 2024

Warum ich schreibe

Ich schreibe, weil ich will, nicht weil ich muss.
Ich schreibe, weil es mir Freude bereitet,
zu schreiben und geschrieben zu haben.
Schreibend vergewissere ich mich
meiner selbst und stelle mich in Frage.
Ich schreibe, weil es mich ausmacht,
zu schreiben, geschrieben zu haben und
bis auf weiteres immer weiter zu schreiben.
Wäre mir das Schreiben eine Qual
oder fiele mir nichts mehr ein,
dann schriebe ich eben nichts mehr.
Ich muss ja nicht schreiben.
Ich kann es auch lassen.
Wenn ich aber schreibe,
schreibe ich, wie ich will.
Ich hänge nicht der Vorstellung an,
das zu Schreibende existiere schon,
bevor es geschrieben wird
und müsse nur noch geschrieben werden.
Was ich schreibe, gibt es nur,
weil ich es geschrieben habe.
Ich schreibe, damit das Geschriebene
in der Welt ist und gelesen werden kann.
Ich schreibe, um gelesen zu werden,
nicht immer, aber im Grundsatz.
Ich schreibe, um etwas mitzuteilen,
und oft, um etwas loszuwerden.
Ich schreibe, weil mir etwas aufgefallen ist
und weil mir etwas eingefallen ist.
Ich schreibe, weil mir etwas gefällt
oder mich ärgert. Die es lesen,
sollen sich ärgern oder freuen,
jedenfalls aber sich etwas dazu denken,
wenn sie das können und wollen.
Ich schreibe für andere,
weil ich für andere schreiben will.
Ich schreibe, um etwas vorzuführen,
vielleicht auch mich. Ist das Eitelkeit?
Mir scheint, zum Schreiben gehört
die Bereitschaft, sich auszusetzen,
sich fassbar und angreifbar zu machen,
sich dem Urteil anderer zu stellen,
also nicht nur Geschriebenes, 
auch sich selbst vorzuführen
in aller Grandiosität und Lächerlichkeit.

Donnerstag, 13. Juni 2024

Am Rande der Selbstüberschätzung

Haltet euch von mir fern.
Ich bin gefährlich für euch.
Es könnte sein, wer weiß, 
dass ich euch zum Denken verführe,
zum selbständigen Denken,
statt zum Nachplappern der Phrasen,
die man euch eintrichtert
auf tausend kaum merkbare Weisen.
Euch könnte auffallen, 
dass ich anders bin, anders rede,
andere Denkweisen vorschlage,
als ihr es gewohnt seid
in eurer komfortablen Konsumwelt,
verwirrend anders, aber vielleicht,
wenn die Verwirrung sich legt,
auch seltsam anziehend anders,
Welt erschließend, Selbst erklärend
und nicht zuletzt Zukunft bietend,
eine, die besser ist, nämlich
frei und gerecht und reichhaltig,
nicht so leer und eingelullt und böse,
wie andere sie euch auferlegen.
Haltet euch also von mir fern,
wenn ihr eure Leben nicht ändern wollt.

Mittwoch, 12. Juni 2024

Kleiner Irrtum

Hast du wirklich gemeint, armer Narr,
die Leute seien zwar dumm und gemein,
wären es aber gleich viel weniger
(und dir dankbar), wenn du ihnen sagtest,
wie dumm und gemein sie doch sind?

Montag, 10. Juni 2024

Jobsuche

Aus seiner Haut heraus müssen,
um sie zu Markte zu tragen:
Das ist lächerlich. Ändert es!

Donnerstag, 6. Juni 2024

Chien

                                    à Michaux
 
Je suis chien.
Mon amour est total
est sans reserve.
Je défend les miens
avec trop bruit
et avec une joie radicale
j'invite aux tendresses.
Et je couche.
Finalement et inévitablement
je couche.
Je suis chien.

Komische Elegie

Was soll ich sagen?
Ich bin nicht ganz dicht,
ich bin Dichter. 
Und nah dran am Narren.
Versteht ihr mich?
Ich verstehe es nicht.
Das soll ich sagen.

Mittwoch, 5. Juni 2024

Doch, doch, ich gehe pfleglich mir mir um.
Was denn auch sonst? Wen hätte ich noch,
der so wie ich für mich da ist?
In guten wie in schlechten Zeiten
muss ich mich auf mich verlassen können.
Zwar gehe ich mir zuweilen auf die Nerven
und kann mich selbst nicht leiden. Doch meistens
komm ich gut mir mir zurecht. So halbwegs.
Man rauft sich halt zusammen mit sich selbst
über die Jahre. Man wird milder
und schraubt die Ansprüche herunter.
Am besten, man lässt sich in Ruhe
und wartet auf das Glück des Augenblicks.

Knecht und Herr (Lehrgedicht)

Der Kellner bedient den Gast.
Der Benutzer bedient das Gerät.
Ich bediene mich hier
eines sehr einfachen Mittels.

Montag, 3. Juni 2024

Besuch

Nach außen gestülpt
ist die Existenz
unter anderen
eine andere.

Dichterelend

Im Spätwerk brennt noch Licht,
da will noch jemand hoch hinaus
und für Gelächter sorgen
beim heillosen Gelichter,
als wär da nichts und niemand,
der den Ernst der Rose erfasst.

Herbstlicher Tag

Und wieder gefangen in einer Jahreszeit, die nicht aufhören will, mir schon am ersten Tag auf die Nerven zu gehn.