Freitag, 31. Oktober 2025

Herbstliche Hermeneutik

Es krächzen die Krähen.
Sie werden schon wissen,
was sie damit sagen wollen.
Sonst weiß es niemand.
Aber das macht nichts.
Auch die Krähen verstehen nicht,
was all die anderen meinen.
So macht uns unsere Sprache,
die einzige, die wir können,
alle einsam.

Strenge Oberservanz

Alles hat seine Ordnung.
Aber man kennt sie nicht.
Manche setzen irgendeine.
Aber das bringt nichts
als andere Unordnung,
Blut, Schweiß und Tränen.

Donnerstag, 30. Oktober 2025

Selbsternannter Selbstdenker

Was weit denn du schon
wie schwierig es ist,
einen Gedanken zu fassen,
der nicht schon im Voraus
von der Blödheit der andern
verschmutzt ist. 

Wie reinigt man sich
von Wahn und Lüge,
von der Vorherrschaft
unfreien Denkens? 

Wie viel darf man wagen,
ohne einsam, lächerlich
und unverständlich zu werden? 

Es ist leicht zu spotten,
wenn man fast hirntot ist,
berauscht und betäubt
vom Mitlaufen im Hamsterrad
passender Meinungen.

Selbst zu denken,
kann einem keiner abnehmen.
Darum die Unbeliebtheit.

Mittwoch, 29. Oktober 2025

Unterwegs zum Abgrund

Das wäre doch schön,
wenn man zu den letzten gehörte,
die noch irgendwie da sind
und alles erleben können,
wenn man noch den Weltuntergang mitnähme
und dann nichts mehr.
Wenn man also nicht denken müsste,
da komme noch was,
wenn man längst tot sei,
wenn man nicht befürchten müsste,
die andern hätten noch ihren Spaß,
und machten vielleicht sogar etwas besser,
retteten die Welt, sozusagen,
und man selbst hätte nichts mehr davon.
Das wäre nicht schön.
Dann lieber jetzt gleich Weltuntergang
und Schluss.

Dienstag, 28. Oktober 2025

Luftbildarchäologie

Oberflächlich betrachtet
scheine ich allzu ortsfest zu sein,
aber das liegt nur daran
dass ich nie bin, wo ich bin,
sondern über den Dingen schwebe
und zugleich in Tiefen geistere,
die noch unterm Untergrund liegen. 
Während ich mich in Lüfte schwinge,
die von Gegenden herüberwehn,
die längst kein Mensch mehr versteht,
geht es Schicht um Schicht abwärts,
aber niemals vorwärts und leider
auch niemals wieder zurück. 

Montag, 27. Oktober 2025

Wie im Märchen

Als das Wünschen noch geholfen hat,
wie man damals so sagte,
wünschte ich mir nichts seliger,
als dass du mich liebtest wie ich dich.
Vielleicht hast du das ja auch
und dich mir darum erspart.
Und so lebten wir ohne einander 
viel glücklicher als miteinander
bis ans Ende unserer Tage. 

Zum Glück (II)

Wir waren bestimmt dafür bestimmt,
einander eher früher als später
fürchterlich auf die Nerven zu gehn,
wären wir ein Paar geworden.
Noch viel fürchterlicher als damals,
als wir zum Glück kein Paar wurden.

Zum Glück (I)

Du nicht, ich nicht, keiner
hätte vorhersagen können,
was aus uns geworden wäre,
wären wir ein Paar geworden,
außer zwei unglücklichen Menschen.
Aber ich bin es zum Glück
auch ganz ohne dich geworden.

Scheitern

Alles scheitert immer
am ganz Gewöhnlichen.
Das Durchdachte hat keine Chance
gegen den Zufall und die
Heimtücke der kleinen Dinge.

Unterstand

Ganz gemütlich hier,
wo es nichts gibt
als das Nötigste
oder weniger. 


Wo es besser ist,
als auf freiem Feld
gut sichtbar ein Ziel
abzugeben fürs Sterben. 


Ausruhen, weiterleben,
das genügt schon
für ein müdes Fest
mit oder ohne Fressen.
 

Nur nicht im Schlaf
draufgehn. Dann schon lieber
mit Gebrüll. Das hätte
deutlich mehr Würde.

Unterholz

Wenn nur die Dunkelheit
sich über mich beugt
und die Stille mich deckt,
weiß ich im Unterholz
mich mit klammen Fingern
ganz auf mich gestellt.
Verräterisch könnte
mein Atem jetzt sein
und mein Geruch ein
Erfolg für ihre Hunde.
Neben mir hockt der Tod
und wartet mit mir darauf,
dass sie alle weg sind. 

Samstag, 25. Oktober 2025

Abgrenzung

Nicht mit mir, sage ich
wieder und wieder,
um nicht verwechselt zu werden
mit irgendjemandem,
den keinen Anlass hat,
das zu sagen.

Anbahnung

Fick mich, sagte er,
sehr wohl wissend,
was alles dazugehört,
damit daraus überhaupt
etwas werden kann,
geschweige denn
etwas Schönes. 

Kleiner Tipp

Lasst euch anstecken
    von der Fremdheit der andern.
Versteckt euch nicht
    hinter Ängsten und Groll.
Lasst euch nicht betäuben
    von Lügen und Versprechen.
Berauscht euch nicht
    an Gewalt und Nichts.
Nehmt eure Leben
    selbst in die Hände.
Kümmert euch um einander
    in Freiheit und Würde,
Und alles wird gut.

Poet und Peloton

Seine Geschwätzigkeit verrät ihn.
Und darum stellt man ihn kurzerhand
mit Fug und Recht an die Wand. 
Aber wenn er geschwiegen hätte,
hätte er nicht einmal das erlebt. 

Zur Erinnerung

Vergesst mich und vergesst,
dass ihr mich vergessen habt.
Ich will nicht abhängig sein
von eurer Erinnerung,
und wäre ich es, 
wollte ich alles tun, 
damit ihr mich vergesst.
Ich will nur abhängig sein
von der Ewigkeit. 

Nihilismus

Wenn Gott tot ist,
will ich singend und tanzend
ebenfalls eingehn
ins Nichts.

Feindschaften

Sie hassen mich,
weil sie nicht wahrhaben wollen,
dass ich Recht haben könnte.
Das heißt, sie würden mich hassen,
wenn sie mich kennten.
Ich kenne sie genug,
um für sie zu beten.
Mögen sie umkehren 
und endlich erkennen, 
wie Recht ich habe.

Parteigänger

Aus meinem Versteck heraus
unterscheide ich Freund und Feind,
und es trifft nie den Falschen.
 
Ich riskiere immer alles,
mein Leben, meinen Ruhm,
aber weil ich gering bin
und keiner mich kennt,
geht das in Ordnung.
 
So wird das weitergehn
bis zum Sieg der einen
oder anderen Seite.
Wahrscheinlich nicht meiner. 

Freitag, 24. Oktober 2025

Schmonzes

Wem es entgeht,
wer’s nicht vesteht,
sich einen Reim
drauf zu machen,
auf solche Sachen,
wer im Lachen
und Klagen nicht
den Seher hört,
der Wahrheit spricht.
macht was verkehrt.

Donnerstag, 23. Oktober 2025

Auch der Herbst

Mit allen seinen Farben
macht der Herbst sich wichtig. 
Es riecht nach dem und dem.
Bis nichts mehr übrig bleibt
als der übliche Wechsel
der Jahreszeit. Schön und gut.

Hinter dem Winter

Als ob der Schnee
etwas zu verbergen hätte.
Die Flocken schweigen.
Die weiße Pracht liegt da 
wie eine Ausrede.
Darüber hin manche Spur.
Da geht noch was. 

Samstag, 18. Oktober 2025

Prophetensorgen

Hört das denn nie auf,
dass ich immer Recht haben muss? 
Könnte mich die Wirklichkeit
nicht einziges Mal widerlegen?
Warum darf nicht auch ich mich irren?
Nicht lediglich in Kleinigkeiten
danebenliegen, sondern einmal
so richtig völlig in die Irre gehn?
Oder irre ich mich und befinde mich
in Wahrheit längst schon im Irrtum? 

Konspirative Theorie

Ich sage es in aller Klarheit:
Pfrumpf und Blablakadavrax
helfen überhaupt nicht weiter.
Euer Götzendienst macht nicht frei.
Auch das allerdümmste Kalb
rettet kein einziges Leben
vor dem Einbalsamiert werden
in verschlissenen Statistiken,
sondern nährt nur die Schlächter.
Noch darf man das sagen,
noch nützt es wenig bis nichts,
aber später, wenn es zu spät ist,
wird es wirken, glaube ich. 

Imperial Machines II

Das darf nicht sein.
Aber so geht es weiter.
Wenn keiner eingreift
ins Rad der Geschichte.
Jeder für sich. 
Wir miteinander.
Und Gott mit uns allen.

Enigma

Solche Gedichte nämlich
hätte ich gerne geschrieben
und noch ganz, ganz andere.
Aber es hat nicht sollen sein.

O la muerte

Immer noch unzufrieden
mit der Welt und vor allem
mit mir, werde ich mich wohl
weiter aufregen müssen,
bis ich irgendwann endlich
keinen Mucks mehr machen kann.

Gute Besserung

Als ich noch Zukunft hatte
oder welche zu haben meinte,
war alles viel schwieriger.
Man erwartete viel
und bekam sehr wenig,
aber immer noch zu viel,
um zufrieden sein zu können.
Nun, da alles zu spät ist
oder doch sein könnte,
ist alles viel leichter.
Ich erwarte fast nichts mehr,
und das Wenige, das ich habe
und geben kann, genügt mir.
Ob es den andern genügt,
überlasse ich denen.

Freitag, 17. Oktober 2025

Abseits der Rennstrecke

Verführt von der Langsamkeit
eines Apfelbaumes im Winter,
der nichts zu verraten hat
als ein gefährliches Blöken,
spotten die Feldmäuse über die Kopfläuse
und kennen noch nicht einmal den Unterschied
von Ambossen und Büroklammern.
Zitronengelbe Streifen aus Seide und Samt
hängen irgendwie in der Luft,
als wäre schon Schwarzer Sonntag
oder irgendein Mittwoch.
Tief im Nudelwasser verborgen
sitzen starke Zwerge und singen
lautlos ganz kleine Lieder.
Mutige Zebras verwechseln
Äpfel mit Apfelsinen und Rosinen
mit rosig Tanten. Es hüsteln die Rösser.
Rostrote Rosen stacheln den Rasen auf,
sich wahnsinnig schnell zu verlieben.
Die Bahn ist frei, aber keiner kommt.
Das mit den Büroklammern
ist ein echtes Rätsel, ein falsches Rätsel
geben die Ambosse auf. 

Donnerstag, 16. Oktober 2025

Einfache Sache

Daran ist nichts rätselhaft.
Es liegt alles offen zu Tage.
Unverständlich ist eigentlich nur,
warum keiner was unternimmt
gegen das alles. 

Rhizome (Imperial Machines)

Die Reichsmaschinen
werkeln schon vor sich hin,
bis kein Mensch mehr weiß,
was das soll, bis keiner mehr
gute Gründe kennen kann,
es besser nicht zu tun.

Expression

Die Menschheit ist Quatsch
und „der Mensch“ eine Lüge.
Sie reden und reden,
feierlich und gewitzt,
aber kein Wort ist wahr,
weil keines den Umsturz bringt,
keines zum Einsturz bringt
Irrenhaus, Gefängnis, Fabrik,
und Vergnügungspark, die Welt,
wie sie nicht sein soll,
sondern immer nur neue Weisen
der Unterdrückung und Auslöschung.
Menschen gibt es, das ist wahr.
und sie tun einander Schreckliches an,
man bringt sie zum Funktionierem,
aber sonst sind sie Wurst. 
 

Mittwoch, 15. Oktober 2025

Unzufrieden

Ich bin es leid,
immer ich zu sagen,
als ginge es immer um mich.
Denn ganz offensichtlich
geht es gar nicht um mich,
wenn ich ich sage,
sondern um die Welt
und die Menschen darin,
und dass ich ich sage,
ist nur ein bescheidenes Mittel,
um das zu zeigen. 

Unangepasst

Dagegen zu sein,
ist schon viel
in einer Welt, in der 
immer alle dafür sind.
Aber dagegen zu sein,
ist noch gar nichts,
wenn man nichts tut,
um das zu bekämpfen,
was nicht sein soll.
Dagegen zu sein,
ist nur ein Anfang,
aber ein vielversprechender.

Unpassend

Was ich kann, kann keiner brauchen,
was ich weiß, will keiner hören,
was ich möchte, interessiert niemanden,
was ich soll, schreiben alle mir vor,
was ich nicht will, passiert.
So kommen wir nicht zusammen. 

Dienstag, 14. Oktober 2025

Ins Stammbuch

In der Zwischenzeit,
bis die Welt untergeht,
und das völlig zu Recht,
will ich euch noch rasch sagen,
dass ihr immer im Unrecht wart,
nicht auf mich gehört zu haben.
Das rächt sich jetzt.
Alles geht zu Grunde,
ob ihr nun hinschaut oder
so tut, als wäre nichts.
Ihr merkt das dann schon. 
Heulen und Zähneknirschen
wird sein, das steht fest.
Und wozu das alles?
Für das bisschen Spaß,
den ich euch verderben wollte?
Ich habt eure hohlen Räusche,
eure mickrigen  Genüsse,
meinen Vorschlägen vorgezogen,
habt lieber euren Ängsten gehuldigt,
und alle meine Warnungen
in den Wind geschlagen. 
Schön und gut, aber dann
beschwert euch bitte nicht bei mir,
wenn am Ende und in Ewigkeit
alles sinnlos gewesen sein wird. 

Nun ja

Wem die Welt, wie sie ist,
nicht auf die Nerven geht, 
dem kann ich nicht helfen
mit meinen Worten.
Den anderen, den Genervten,
allerdings auch nicht.

Diese Welt

Ich verstehe die Welt nicht mehr.
Als ob ich sie jemals verstanden hätte.
Als hätte ich jemals begreifen können,
wie man so grausam sein kann,
so gleichgültig, so verrückt.
Diese Welt ist mir völlig fremd.
Ich kenne zwar keine andere,
aber der Vergleich macht mich sicher:
Ich hoffe auf eine bessere.
Einfach nur, weil es nicht sein kann,
dass das schon alles gewesen ist. 

Donnerstag, 9. Oktober 2025

Berserker

Man gewöhnt sich an alles,
auch an die eigenen Schwächen.
Das ist das Schlimmste,
aber wie damit brechen?
Wie mutiger werden und stärker
und weniger gewöhnlich? 

Mittwoch, 8. Oktober 2025

Damnatio memoriae

Ich vergesse immer wieder gern,
wie furchtbar ich doch bin,
jedenfalls denen zu Folge,
die mich mit Nichachtung strafen. 

Nachtstück in eigener Manier

Es ist Nacht und in der Gracht
schwimmt eine Herde von Schweinchen.
So rosig im Mondenschein
und so niedlich anzusehn
in ihren rot-weiß gestreiften
Badeanzügen aus Linnen.
Die Diamantenschleifer nehmen
nur Schweizer Gulden.
Das war vorherzusehn.
Wie blind kann man sein,
wenn es stockfinster ist
bei voller Beleuchtung?
Die Turmuhr geht zum Schlagen
in den Keller. Dort hat sie es warm.
Aber das macht nichts.
Hier klafft eine Lücke und dort
geht wieder ein langer Weg
vorzeitig zu Ende.
Wir müssen reden, aber
es gibt nichts mehr zu sagen.
Schwimmt, Schweinchen, schwimmt!

Dienstag, 7. Oktober 2025

Der Wütende

Ich bin keiner von euch,
war es nie und werde es nie sein. 
Darauf bin ich nicht stolz,
denn ich kann gar nicht anders.
Ich könnte nie
so ein angepasstes Arschloch,
so ein heuchlerischer Mitläufer,
so ein rücksichtsloser Ichsüchtler
sein, wie ihr welche seid.
Nicht stolz, aber zufrieden,
bin ich damit. Und wütend,
weil meine Überlegenheit
an euch überhaupt nichts ändert.
Aber wozu rege ich mich auf?
Ich sollte mir lieber vorsagen,
dass ihr mir egal seid.
Wut und Verzweiflung sind sinnlos. 
Bleibt freilich der Umstand,
dass ihr alles kaputt macht,
was wahr und gut und schön ist. 
Und schon rege ich mich wieder auf.

Sonntag, 5. Oktober 2025

Willensfreiheit

Was wollt ihr von mir? Mit welchem Recht 
fordert ihr dies und das? Wer hat euch
zu meinen Vorgesetzten gemacht?
Ich bin doch nicht euer Untertan 
oder Knecht und euren Befehlen
gehorche ich nicht. Ich habe auch
nicht vor, eurer Gewalt zu weichen.
Was auch immer ihr also wolltet,
ich will damit nichts zu tun haben. 

Lebenslüge

Die Wahrheit ist doch eigentlich die,
dass ich die Wahrheit nicht wissen will,
dass ich mich dem lieber nicht stelle,
was mein Leben verändern müsste.
 
Das weiß ich wohl, aber ich ziehe
daraus nur den Schluss, lieber weiter
Gedichte zu schreiben, als endlich
mein Leben in den Griff zu nehmen.

Freitag, 3. Oktober 2025

Irgendwer von früher

Anscheinend liege ich hinter dir,
bin, wenn überhaupt, allenfalls
irgendwer von früher, einer,
den du mal kanntest, einer,
den du längst überwunden hast.
Das ist nicht schön. Nicht für mich.
Für dich scheint es ja zu passen. 

Mittwoch, 1. Oktober 2025

Alter Winter

Der Schnee heiligt die Landschaft
mit unerbittlicher Sanftheit.
Die himmlische Stille
verpflichtet zu nichts, nur zu
Innehalten und Schweigen.
Und die Dummen zu Geschrei
und einer Blutspur des Spaßes.
Wenn man nur denken könnte,
es gäbe sie nicht irgendwo.
Unterm Schnee ruht Welt.
Darüber schwebt Wahrheit. 

Ungemütliche Zeiten

Es könnte wieder Winter werden.
Legt schon mal die warmen Sachen
heraus, die pullover und shawls.
Aber freut euch nicht zu früh
auf Kaminfeuer und Grog. 
Es könnte kälter werden, als ihr denkt.
Und vielleicht erfriert ihr sogar,
ohne es überhaupt zu merken. 

Besorgter Bericht

Da fehlen Krebse. Die waren abgezählt. Das Meer ist nicht mehr, was es hatte sein sollen.