Samstag, 31. Mai 2025

Eigenheim

Die Baulücken klappen zu.
Die Luft wird dünner. Zum Atmen
bleibt nicht mehr viel Zeit.
Gewohnt werden muss ja.
Warum also nicht auch hier?
Folgerichtig wird das Her
mit dem Hin abgeglichen.
Man braucht halt ein Fahrzeug. 
Die Bausünden der Väter
bauschen die Mütter zügig
mit schwerem Gerät auf.
Jetzt wird an die Wand gefahren.
Bäume werden sowieso überschätzt.
Ein Haus geht noch. 
Den Planeten retten oder so Zeug
sollen die Übernächsten.
Wir aber bauen und basta.

Donnerstag, 29. Mai 2025

Ideal

Er gab nicht auf.
Er wollte daran glauben,
das Gute müsse gewinnen.
Irgendwann. Und sei’s erst zuletzt.
Dann aber für immer.
Darin war er unbelehrbar.
Tatsachen galten ihm wenig.
Er zog das Mögliche vor.
Alle seine Hoffnungen scheiterten,
aber das hinderte ihn nicht daran,
weiterzumachen und sich einzusetzen
für Freiheit, Gerechtigkeit, Würde
und Wohlergehen jedes Einzelnen.
So einer wäre ich gern.

Mittwoch, 28. Mai 2025

Übers Sein

Wo ist da nichts? Überall
ist doch fast schon zu viel,
jedenfalls immer alles.
 
Was nicht ist, kann noch werden.
Was war, ist noch dabei,
gewesen zu sein. Also?
 
Man muss ja leider sagen:
Alles ist, wie es ist,
aber nicht so, wie es sein soll.
 
Da gibt es noch viel zu tun.
Bis am Ende alles
dann gut gewesen sein wird.

Passiönchen

Es wäre wohl übertrieben,
wenn ich sagte, dass mein Gedicht
mich auspeitscht und kreuzigt.
Aber es stellt mich zur Schau
in meinen peinlichsten Momenten.
Das ist auch nicht immer schön.

Lyrisches Subjekt

Er hatte durchaus versucht,
„er“ zu schreiben statt „ich“.
Aber das hörte sich falsch
für ihn an. Also habe ich
das wieder sein lassen.
Ich verstehe dich nicht.
Und weiß, dass es so sein muss.
Zwischen uns darf es nichts
Gewöhnliches geben.

Nachgelassenes Gedicht

Meine Meinung interessiert
hier keinen. Darum schreibe ich
sie auf, damit ich wenigstens
später irgendwann vielleicht doch 
damit Recht gehabt haben kann,
wenn es mir nichts mehr nützen wird.

Dienstag, 27. Mai 2025

Monstrostitätchen

Das Ungeheuer fiel
zufällig in die Falle,
worin ungeheuer viel
schon vorbereitet war.

Zwischenaufenthalt

Und nehme mir vor,
beinahe täglich,
jedenfalls sehr oft,
mein Leben zu ändern.
Was daraus wohl
geworden sein mag?

Montag, 26. Mai 2025

Programmatischer Unterschied

Manche, so lese ich,
wollen im Gedicht 
die Wirklichkeit zur Sprache bringen.
Andern, mir zum Beispiel,
genügt es, wenn sie
die Sprache zur Wirklichket bringen. 

Freitag, 23. Mai 2025

Theologoumenon

Der liebe Gott hockt in seinem Versteck
und schaut zu und greift ein oder auch nicht,
wie’s ihm beliebt. Den Leuten passt das nicht.
Sie wollen, dass er gefälligst antanzt
und ihnen all ihre Wünsche erfüllt.
Aber Pusteblume. Kannste knicken.
Gott macht, was er will, und wirklich nur das.

Donnerstag, 22. Mai 2025

Trauergäste

Sie huschen von Grab zu Grab
mit bedenklichen Mienen,
ein freudloses Völkchen,
geziemend verdunkelt.
 
Immer wieder wird der eine
oder andere beerdigt
und betrauert, mal mehr,
mal weniger, und irgendwann
wohl auch vergessen. 

Heute ist man selbst noch nicht dran,
aber man darf nicht so grinsen,
wie es einem zumute wäre.

Montag, 19. Mai 2025

Habenichts

Ich mache mir keine Sorgen.
Die machen mir andere.
Und das zur Genüge.

Ich hingegen möchte gern
einfach nur in Ruhe gelassen werden,
um schließlich so zu verenden,
wie es mir zukommt. 

Das ist auch keine Lösung,
das gebe ich zu, aber doch
fast so etwas wie Freiheit.

Der unsagbar Fremde,
der immer schon nebenan
in meinem Herzen wohnt,
braucht nichts mehr zu sagen.
Es ist alles gesagt
zwischen uns. Mehr
muss niemand wissen.

Freitag, 16. Mai 2025

Donnerstag, 15. Mai 2025

Zergliederung

Ein Wort wie Krug
passt immer noch zum Brunnen
und ginge doch zu Bruch
an harter Kante,
wenn du nur willst.

Wörter zu Pflugscharen (1)

Mach dich vom Acker, Freundchen.
Schachtelhalme schächten schichtweise
grausig grummelnde Grottenolme.
Wie bunt muss es noch werden,
damit dir die Farben ausgehn?
Hinter den Wäldern lauert der Sinn.
Das Zaumzeug verzögert den Zugzwang.
Jetzt ist die Stunde, in der wir
Prügel beziehen, ohne Versand-
kostenanteil. Das wäre ja gelacht.
Und dauert schon zu lange.
Auch die vierzehn Nothelfer
kriegen den dicken Eierkopf
nicht zurück auf die Mauer.
Also lernen wir um. Ab jetzt
können wir Kontrabass spielen.
Du weißt schon. Im Schwarzlicht.
Gerade das erledigt sich von selbst.
Ich sage nicht Fisch und nicht Fleisch.
Du sagst Hirnhautentzündung.
Am Ende sticht der Hafer
niemals das richtige Kind.

Autorensorgen

Ist, was ich schreibe, zu dünn?
Muss ich es aufplustern? Muss ich
die Schminke dicker auftragen?
Ist es überhaupt richtig
angezogen für diesen Anlass
oder irgendeinen anderen?
Was stimmt vielleicht noch nicht mit mir
wenn Kostüm und Maske stimmen?
Bin ich etwa zu verständlich?
Oder muss ich mich unklarer
ausdrücken? Muss ich merkbarer
andern nach dem Munde reden?
Damit sie ein bisschen so tun,
als sei auch ich beinahe wichtig,
weil ich fast schon wie sie bin.
Je weniger ich zu sagen habe,
desto mehr Erfolg werde ich haben,
wenn ich angemessen viel rede
und bedeutungsvoll schweige.
Bin ich überhaupt exklusiv genug?
Populär genug? Muss ich mich
besser verkaufen, verstecken,
rar machen, der Schnittlauch
auf allen Suppen sein? Und dann,
als ob diese ganze Scheiße
noch nicht mühsam genug wäre,
muss ich mich auch noch fragen:
Was zum Teufel soll ich schreiben?

Montag, 12. Mai 2025

Mutwillige Anstalten

Wer im Glashaus schwitzt,
braucht sich des Abends
nicht wirklich zu wundern,
wo der Hammer hängt 
oder wo Gott wohnt.
Wirf mit Beilagen um dich,
als gäbe es keine 
Zuverdienstgrenze.
Salat ist Salat ist Salat.
Das Gemüse tickt,
zick, zack, zick, zack,
aber vom Obst, ganz ehrlich,
ist nichts zu befürchten.
Es ist jetzt auch nicht die Zeit,
um kleinlich auf Brot zu bestehen,
auf Fische und Muscheln und Perlen.
Es gibt nichts wichtigeres
als den Vollmond. Oder
den Halbmond. Den Neumond.
Das ganze grässliche Getue 
am nächtlichen Himmel.
Das Haus brennt Löcher
in die freundliche Leere.
Die Nacktschnecken lachen 
sich scheckig. Aber das
bringt ihr Gewerbe so mit sich.

Samstag, 10. Mai 2025

Armer Poet

Lasst mich doch bitte
nicht immer so allein 
mit den Wörtern. Sie
drängen sich mir dann auf
und werden hinterrücks
zu so etwas wie, nun ja,
Gedichten. Und ihr,
ihr müsst sie dann lesen.
Das kann doch keiner wollen. 

Auftritt des Nörglers

Verzeihen Sie bitte nicht,
wenn ich störe. Denn es ist
meine volle Absicht. Nein,
beruhigen Sie sich nicht.
Ganz im Gegenteil, mein Herr,
werte Dame, über mich
sollten Sie sich aufregen.
Ihre Empörung wäre
durchaus mehr als berechtigt. 
Von mir haben Sie nämlich
nichts zu erwarten als nur
lauter Unannehmlichkeit. 
Ich bin eine Zumutung.
Ich sage, was ich denke,
und das wir Ihnen bestimmt
nicht gefallen. Denn dazu
sind Sie, bedenken Sie das,
doch viel zu kritikwürdig.

Invasiv

Das Denken ist landfremd.
Wo es vorkommt, wird es
geschätzt und vermessen
und in Listen erfasst.
Dann wird rasch festgelegt,
wie man es kleinkriegt.
Wie man es so einpfercht,
dass nur noch die Herde,
wie man es so einhegt,
dass nur noch das Glashaus
Frucht bringen kann. Alles
sei Zucht und Ordnung und
kontrollierter Anbau.

Spiegel

So ein Spiegel lügt immer.
Er zeigt nicht, was ist, sondern
nur ein Bild, ein verdrehtes.
Mag sein, man erkennt darin
dies oder das. Wem’s genügt!
Ich jedenfalls erkenne
mich in ihm überhaupt nicht.
Mein Bild ist ein anderes. 

Fenster

So ein Fenster ist nämlich
eine Vergewisserung,
dass es draußen noch Welt gibt. 
Dass das Drinnen ein Drinnen
in einem Draußen ist. Dass man,
wie auch immer davon getrennt,
unter Umständen vielleicht
sogar wieder hinaus kann.

Ästhetische Formel

Scheiß die Wand an, ist das schön!
So schrecklich schön, dass man
daran krepieren könnte.
Da gibt es keinen Abgrund,
in den sich zu stürzen,
und keinen Ozean,
in dem zu ersaufen.
keine Lösung wäre.
Ach, das ist Kunst. 

Sonntag, 4. Mai 2025

Verkehrsfunk

Immer neue Baustellen
pflastern den Lebensweg.
An Mängeln ist kein Mangel.
Bis zum Schluss endlich alles
zum Erliegen gekommen sein wird.
Dann himmelwärts abbiegen. 

Letztwillig

Restlos zerfetzt sein
will ich am Ende.
Kein mildes Sterben
darf meine ewiges
Leben behindern. 

Solidarität

Komm, Bruder,
so sollst du nicht leben
wie ein Hund,
wie ein  Schwein,
wie ein Affe,
wie eine Bazille.
Das sollst du nicht müssen.
Komm, Bruder,
lass uns leben wie Brüder. 

Poenix

Wehe, wo du willst,
Wind aus der Wüste.
Dein Gluthauch verbrenne
mein einsames Dasein. 

Gegenwart

Du bist das Licht,
das den Leib erwärmt. 
Man spürt auf der Haut
und im Herzen auch,
dass du da bist. 

Freitag, 2. Mai 2025

An einem ersten Mai

Von mir aus kann es das gewesen sein.
Mehr Sommer brauche ich nicht. 
Dieser eine Nachmittag hat genügt,
mich an alles Frühere zu erinnen,
an die Gerüche, an Hitze und Schatten
und an das Gelächter von Fremden,
die in irgendwelchen Gärten
ihren Spaß haben ohne mich.

Donnerstag, 1. Mai 2025

Kehraus

Er holte die Tassen aus dem Schrank,
die wenigen, die noch da waren,
und verfütterte sie an seinen Spieltrieb,
jenes rüstige Ungeheuer,
das schon in seinem Herzen gewohnt hatte,
als er noch jung gewesen war und gerne 
etwas zu sagen gehabt hätte. 
Die übrig gebliebenen Scherben
kehrte er auf und versteckte sie
in einer nachlassenden Poetik.
Ein häufiger Fehler. 
Ob man überhaupt von Versen sprechen kann, 
muss jeder selber wissen.
Der Schrank war jedenfalls leer,
und er stand bewundernd davor.
Als hätte er nie etwas anderes 
tun oder lassen wollen.
Was für ein komischer Kerl! 

Zirkus IV

Brot und Spiele möchten viele.
Spiele und Brot tarnen die Not.
 
Den Löwen zum Fraß,
der Masse zum Spaß. 

Macht uns lustig über euch.
Und wenn ihr dabei krepiert.
 
Wer nicht singt, der stinkt.
Wer nicht tanzt, reimt sich nicht.

Zirkus III

Lieber Sand im Getriebe
als am Ring in der Nase
durch die Manege geführt.
Sein. Werden. Dürfen. Müssen. 

Zirkus II

Ich bin hier nur der Clown.
Die gefährlichen Sachen
müssen andere machen. 

Zirkus I

Das fängt ja gut an.
Das geht hoffentlich
nicht so weiter. Und
wenn doch, dann lasst mich
raus aus der Nummer.

Kuhwalzer

Apfel, Zipfel, Zunftverdruss,
Flattern ist ein Hochgenuss,
wenn die Blüten sich verzweigen
und die Kimmen voller Geigen,
wie die Messer, aber besser,
buttergleich zum Korn sich neigen.
Pflaumenpflöcke müssen erben.
wenn die Scherben nicht verderben
sollen, Wollen sich verfärben
müssen, Erbsen Krebse küssen
und die Schnecken sich vertschüssen.
 
Bis die Ruhe wieder nagt
an den Gipfeln, unverzagt,
und mit ungewaschnen Händen
Knechte wieder Mägde schänden.
Sensen schleifen sacht am Boden
und die Sünder fragen: Wo denn?
Ratsch, da bricht die Brücke ab
und die Tugend sinkt ins Grab.
Ratsch, da bricht die Brücke durch
und die Kröte grüßt den Lurch. 

Ohne Serviervorschlag

Das geht nämlich so: Ich lege mir meine Wörter zurecht, schön nach Narben geordnet, dann greife ich wahllos zu und stopfe, was ich erwische,...