Freitag, 28. November 2025

Verleichsweise

Lieber eine offene Wunde
als ein verschlossenes Herz.
Lieber ein paar Wörter zu viel
als eine Antwort schuldig geblieben.
Lieber ein armer Narr
als ein schlauer Gierschlund.
Lieber von trauriger Gestalt
als einer, den man vergisst.
Lieber am Leben scheitern,
als sterben, ohne wenigstens
versucht zu haben,
leidenschaftlich zu leben

Meine Sünde

Ich hasse zu viel.
Zu viele Bösewichter
bevölkern meine Welt.
Mich packen Ekel und Wut
bei so viel Dummheit
und Niedertracht
und Hässlichkeit
Und meine Zeitgenossen
widerstehn dem nicht.
Sie schaun nur zu
und machen sogar mit.
Das macht mich rasend.
Ich hasse das.
Weil nur der Hass
mich nicht verzweifeln lässt.

Novemberidyll

Wobei das Trübe sich
als Tag gestaltet
und kalt und feucht
ins Dunkel geht.
Derweil daheim
Behaglichkeit sich
warm und hell entfaltet.
Komm, Seele,
rege dich.
Der Spätherbst stirbt.

Donnerstag, 27. November 2025

Zweifelhaft

So ein Gedicht schreibt sich ja nicht
von allein. Um zu sein.
muss einer es machen.
Im Zweifelsfall bin das wohl ich.

Montag, 24. November 2025

Richtigstellung

Ihr versteht da etwas falsch:
Ich will nicht geliebt werden
von euch. Sondern ich will,
dass ihr versteht, was ich sage.
Wenn ihr das doch nur könntet.

Samstag, 22. November 2025

Unglück

Was soll das heißen, du liebst mich nicht?
Habe ich denn danach gefragt?
Ich liebe dich, das genügt völlig.

Das süße Gefühl

Ich denke zu viel an dich.
Davon hast du nichts. und mir
verschafft es nur das süße
Gefühl des Bedauerns, mit dir
nichts mehr zu tun zu haben
als eben nur das Denken
an dich und die Unmöglichkeit
gemeinsamer Wirklichkeit.

Freitag, 21. November 2025

Uneinverständnis

Dass dir völlig egal ist,
dass mir deine Schönheit
ganz und gar nicht egal ist,
ist der Stand der Dinge.
Ich bin nicht einverstanden
mit dem Stand der Dinge.

Donnerstag, 20. November 2025

Abgeschiedenheit

Ich bin dann mal in meiner Höhle
aus Decken und Kissen
und bleibe auf dem Teppich.
Holt mich nicht, wenn es brenzlig wird.
Ich bin genug damit beschäftigt,
nicht in eurer Welt zu leben.
Ihr müsst endlich mal lernen,
auch ohne mich zurecht zu kommen.
Bis ich vielleicht irgendwann
die Lust verliere und wieder
etwas anderes spielen will.

Mittwoch, 19. November 2025

Zumutbarkeitsregeln

Zieh Gummistiefel an,
hier ist heiliger Boden.
Auch gerade die Sintflut
wird dich nicht retten.
 
Lösch deinen Dornbusch,
es kommen härtere Zeiten.
Die Wüste ist den Menschen
ein Fleischwolf.

Stele

Ich bin hier falsch.
Der falsche Mann
zur falschen Zeit
am falschen Ort.
Als ob ich nie
hier gewesen
sein hätte dürfen.
Oder müssen.

Montag, 17. November 2025

Post mortem

Kein Grab. Lieber
den Tieren des Waldes
ein Fraß. Den Wildschweinen
am liebsten.

Versprochen

Was wollt ihr von mir?
Dass ich verschwinde?
Aufhöre, euch zu nerven?
Das erledigt sich von selbst.
Irgendwann bin ich weg.
Aber, mein Wort drauf,
selbst dann werde ich
Recht gehabt haben.

Sonntag, 16. November 2025

Tragisches Hirtenlied

Weit davon entfernt,
die Sprache zu verstehn,
die mich verwendet,
nähere ich mich meinen Wörtern
mit verlegenem Grinsen.
In bockigen Sätzen
springen sie mir davon. 

Volksbelustigung

Dann nagelt mich eben ans Kreuz,
wenn euch nichts Besseres einfällt,
für meine Sünden, nicht für eure.
Der Erlös dürfte aber gering sein. 

Freitag, 14. November 2025

Besorgter Bericht

Da fehlen Krebse.
Die waren abgezählt.
Das Meer ist nicht mehr,
was es hatte sein sollen. 

Ungereimtheit

Auf mich reimt sich nichts.
Nicht einmal ich mich selbst.
Geschweige denn du.

Fast magisch

Als könne das Licht
auslöschen, einfach so,
was nicht sein soll.
 
Als genüge die Hoffnung,
und das Wort sei
im Voraus gesagt.
 
Als sei ausgerechnet ich
der, der darum weiß.

Donnerstag, 13. November 2025

Mittwoch, 12. November 2025

Truppe

Der alte Mann, der ich bin,
und das Kind, das ich auch bin,
und alle dazwischen,
wir sind ein Ensemble.
Wir spielen. Wir führen uns auf.
Meist nach eigenen Texten.
Doch seltsam, kaum einer merkt
uns an, wie verschieden
wir unsere Rollen anlegen.
Mieses Publikum.

Umschreibung

Mit Versen ist so wenig getan,
wenn man sie nicht schreibt.
Das hat mir keiner gesagt.
Ich wusste es ohnehin besser.
Das ist dabei herausgekommen;
ein sehr kleines Schweigen
mit viel zu vielen Wörtern.

Endlichkeit

Endlich Nebel. Mir schlug
der Sonnenschein schon aufs Gemüt.
Mein Herbst hat Grau in Grau zu sein.
Der Duft von Fäulnis überall
verrät, worum es derzeit geht:
Vergänglichkeit, Absterben, Tod.
Die allzu bunten Farben also,
das grelle Licht, der blaue Himmel,
das passt doch einfach nicht dazu.
Jetzt aber ist die Welt
verschwommen und verschleiert,
wie es sich gehört. Endlich.

Dienstag, 11. November 2025

Zeitkritik

Was das wohl sein mag?
Es sieht aus wie eine Ente.
Es watschelt wie eine Ente.
Es quakt wie eine Ente.
Also ist es sehr wahrscheinlich
ein Elefant. 

So nämlich

War aber immer noch der Meinung,
das hätte anders gemacht werden müssen.
Sich damit abzufinden, wie es ist,
sei eine ganz andere Sache. 

Stille

Du verschweigst mich dir.
Das höre ich ganz genau.
Deine Stille löscht mich aus.
Was wirst du noch sagen können,
wenn mein Wort ―

Wes das Herz voll ist

Ich wollte, ich hätte dir
nicht mehr zu sagen als du mir.
Aber so ist es nicht. 

Montag, 10. November 2025

Strohhälmchen

Allzu leicht vergesse ich,
was ich geschrieben habe.
Allzu sehr hoffe ich,
dass es andern anders geht. 

Beherrschung

Fressen und Gefressenwerden,
das ist ganz natürlich.
Die Natur ist nämlich grausam.
Darauf beruht alle Kultur.
Auf der Verweigerung der Grausamkeit.
Jede Kultur vergisst das beizeiten. 

Problemlage

Der Mensch greift ein,
und es gibt ein Unglück.
Also greift er ein,
um Folgen zu mindern
und neues Unglück zu verhindern.
So geht das fort bis zuletzt.

Vorbilder

Verherrlicht den Einzelgänger
nicht zu sehr.
Denn was er zu sagen hat,
könnte Unsinn sein.
Wahrheit macht einsam,
aber Einsamkeit nicht weise.
Der Angepasste jedoch,
der Hansdampf in allen Gassen,
hat ganz gewiss nur Unsinn zu sagen.
Hört nicht auf ihn.
Plappert ihm nicht nach.
Dann verherrlicht schon lieber
stattdessen den Einzelgänger.

Hoffnung

Wenn ich erst tot bin,
so denkt ihr euch wohl,
werde ich euch endlich
nicht mehr auf den Sack gehn.
Aber ich hoffe doch sehr,
dass ihr euch da täuscht.
Wenn ein paar meiner Texte
mich überdauern,
kriegen sie euch am Arsch.

Donnerstag, 6. November 2025

Sonntagsrede

Verändre nicht die Welt.
Das brauchst du nicht.
Sie verändert sich von selbst.
Verändre dich selbst,
werde unbrauchbar
für das Schlechte.
Verbessre die Welt,
indem du gut bist
zusammen mit andern.

Audienz

Die haben ja keine Ahnung,
was ihre Ahnungslosigkeit
anzurichten vermag,
ihr gehässiges Schweigen,
ihr gleichgültiges Gerede.
Schon im Voraus schneiden sie
alles auf ihr Mittelmaß zu
und erheben sich dann
trotzdem noch darüber.
Weil es einfach nichts geben darf,
was nicht so mickrig ist, wie sie
sich die Welt eingerichtet haben.
Sie dürfen nichts gelten lassen,
was größer ist als sie,
und spotten über das Wagnis,
ihrer Jämmerlichkeit zu entkommen.
Man müsste sie meiden
und vergessen, wenn es nur ginge.

Mittwoch, 5. November 2025

Dienstag, 4. November 2025

Viel Spaß

Die Welt ist voller Wunden.
Man wendet den Blick ab
und fügt neue hinzu.
So ist das Leben.

Sonntag, 2. November 2025

Schlechte Rede

Redet die Dinge schön,
denn sie sind hässlich.
Redet schlecht von der Schönheit,
denn sie hat uns nicht gerettet.

Samstag, 1. November 2025

Theodizeebedarf

Wo war Gott,
als ich dieses Gedicht schrieb?
Wie konnte er zulassen,
dass es nicht besser wurde?

Still jetzt

Lass uns bloß in Ruhe      mit deiner Wahrheit, sagen sie, ohne es      auszusprechen. Recht haben kann jeder,      nur du nicht. Dir ...